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Wagenknecht vorerst gescheitert
Das Bundestags-Aus stoppt den Höhenflug des BSW endgültig und stellt die Existenzfrage
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kämpft ums Überleben. Vorerst ums parlamentarische, aber das hängt in Wagenknechts Verständnis untrennbar mit der Existenz der Partei zusammen. Sie fasste es in dem Satz zusammen, wer nicht im Bundestag vertreten ist, werde nicht als politisch relevante Kraft wahrgenommen.
Seit das BSW hauchdünn unter der Fünf-Prozent-Hürde blieb, sucht es die fehlenden 13 400 Stimmen. Viele Auslandsdeutsche konnten nicht wählen, hier und da wurden Wählerstimmen falsch zugeordnet – von »rumänischen Verhältnissen« raunt der EU-Abgeordnete Fabio De Masi. Das alles wird beim BSW fieberhaft geprüft, weil es zur Neuauszählung oder sogar zur Klage mit dem Ziel einer Nachwahl führen könnte.
Die Vertretung im Bundestag ist für jede Partei wichtig. Ungleich wichtiger ist sie für eine Partei, die von Image und Medienpräsenz ihrer Frontfrau abhängt. Darauf beruhte das Projekt BSW von Anfang an. Dass die Partei in den kritischen Bereich um die fünf Prozent abrutschte, hat vor allem mit ihr selbst zu tun – mit Programm, Führungsstil und Parteiaufbau.
Eigentlich hätte das BSW, das im Spätsommer 2023 noch vor seiner Gründung mit Umfragewerten von 15 Prozent startete, keine besseren Bedingungen haben können. Langfristig hatten Wagenknecht und ihre Vertrauten schon in der Linkspartei und deren Bundestagsfraktion ihre Pläne verfolgt. Statt im Plenum saß Wagenknecht oft auf Podien, um ihre Bücher zu verkaufen und damit an der eigenen Plattform zu basteln. Mit viel Aufwand baute sie eine reichweitenstarke Online-Präsenz auf. Das alles in wachsender Distanz zur Linken, aber mit deren Label. Vor allem mit ihrem Buch »Die Selbstgerechten« – einer Abrechnung mit der Linken, veröffentlicht zu Beginn des Bundestagswahlkampfs 2021 – formulierte sie Grundzüge ihres Projekts, das später im BSW mündete.
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Das wurde – anders als ihre gescheiterte Aufstehen-Bewegung – generalstabsmäßig geplant. Angefangen beim Vorläuferverein, der Geld einsammelte, um es an die Partei weiterzureichen; eine Praxis, die von Juristen als zumindest fragwürdig bezeichnet wird. Wagenknecht startete mit einem kleinen Kern treu ergebener Mitstreiter, den sie aus der Linke-Fraktion herausbrach. Die Mandate wurden mitgenommen, der Zeitplan nutzte alle Vorteile des Wahlkalenders: Die EU-Wahl und die ostdeutschen Landtagswahlen im vergangenen Jahr sollten als Sprungbrett für die Bundestagswahl dienen. Alles war so eingefädelt, dass es der Linken maximal schadet.
Bis zum Herbst 2024 lief es wie am Schnürchen. Das BSW feierte Wahlerfolge und sitzt in zwei Landesregierungen. Aber damit beginnen seine Probleme. Denn um die Koalitionsverhandlungen vor allem in Thüringen rankten sich unappetitliche interne Machtkämpfe. Und mit dem Regieren ist die Zeit des ewigen Anprangerns vorbei; jetzt muss das BSW Ergebnisse liefern.
Da jedoch werden manche der von Wagenknecht selbst hochgesteckten Erwartungen enttäuscht. Ein Teil der Anhänger zählt das BSW zu den Etablierten. Andere sind sauer, weil es nicht offen mit der AfD paktiert. Und die Medien schauen genauer hin. Als Linke-Dissidentin war Wagenknecht interessant. Jetzt ist sie selbst die Führungsperson; da werden ihre Kritiker Gegenstand der Berichterstattung. Es geht um die straffe, ja autoritäre Führung in dieser Partei. Auch um die restriktive Mitgliederauswahl, die dennoch nicht vor Missgriffen und Basiskritik schützt. Zumal sich im Wahlkampf gerächt hat, dass man nur so wenige Mitglieder aufnahm. Es ist ein selbstgemachtes personelles und finanzielles Problem. Aus internen Unterlagen, die »nd« zugespielt wurden, geht hervor, dass die BSW-Führung noch länger beim »kontrollierten Wachstum« bleiben wollte. Die Landesverbände indes möchten sich endlich vergrößern.
Alles war so eingefädelt, dass es der Linken maximal schadet.
Der Wahlkampf war wie das BSW insgesamt (Wagenknecht bei dessen Gründung: »Was ich will, will auch die Partei.«) auf diese eine Person ausgerichtet. Im Vertrauen auf ihre Strahlkraft wurden massenweise Plakate mit ihrem Porträt aufgehängt, eine minimalistische Wahlkampftour mit nur neun Terminen wurde geplant. Zuletzt warf Wagenknecht angesichts sinkender Umfragewerte sich selbst in die Waagschale: Sie mache ihre politische Zukunft vom Einzug in den Bundestag abhängig. Es war ein bisschen Wählernötigung, sagt aber auch etwas über ihr Politikverständnis, das mehr mit dem großen Auftritt zu tun hat als mit der Kleinarbeit des Alltags. Auf vier Jahre außerparlamentarische Opposition hat sie offenbar keine Lust.
Was jetzt auf das BSW zurückschlägt, ist der inhaltliche Gemischtwarenladen, der sich von links bis rechts bedient und als das ganz neue Ding verkauft werden soll. Eine Partei braucht Haltung; Wagenknecht versucht es mit Pose. Die angebliche Vertretungslücke, die das BSW füllen will und von der Journalisten und Politologen zunächst schwärmten, ist wohl nicht so groß wie vermutet. Was Wagenknecht der Linken vorwirft – im Mainstream mitzuschwimmen –, trifft auf das BSW selbst zu. Am Ende steht die Partei für nichts Originäres und wird sozialpolitisch von der Linken, bei der Migrationsabwehr von AfD und CDU und beim Ruf nach einem schnellen Ende des Ukraine-Kriegs irrerweise von Donald Trump übertönt.
Die letzten Versuche, noch schrillere Töne anzuschlagen, verhallten weitgehend. Das gemeinsame Abstimmen von Anträgen zur Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik mit der AfD verschreckte Sympathisanten und vertrieb Mitglieder. In der »Berliner Zeitung«, die das BSW treu begleitet, hieß es, Wagenknecht habe sich bei diesem Thema verzockt. Das ist Unsinn: Diese Positionen sind ein Kern ihres Politikverständnisses, und es ist scheinheilig, jetzt so zu tun, als seien ihre sozialpolitischen Forderungen im Getöse um Migration und Asyl untergegangen, das sie selbst befeuert hat. Es ist eben ein Unterschied, ob man Wählern der AfD entgegenkommt, um bei ihnen Gehör zu finden, oder ob man ihnen sehr weit hinterherläuft. Folgerichtig erweist sich das Ziel, die AfD zu schwächen, als Schimäre. Bei der Bundestagswahl kamen die mit Abstand wenigsten BSW-Stimmen von früheren AfD-Wählern.
Bleibt es – wofür vieles spricht – beim Bundestags-Aus des BSW, dann steht die Partei vor einem Härtetest: Sie muss jenseits der großen Bühne und womöglich ohne ihre Frontfrau zeigen, wie weit ihre politische Idee trägt. Ob sie mit den Mühen der Ebene außerhalb des Rampenlichts fertig wird. Ob der Laden den Fliehkräften widersteht, die größer werden, wenn das Zentrum schwach ist. Es ist die ganze Ochsentour, die Wagenknecht mit einem Geniestreich überspringen wollte.
Einen Erfolg hat sie erzielt, ganz unfreiwillig: Ohne das BSW im Bundestag werden die Grünen, die sie als »verlogenste, inkompetenteste, gefährlichste Partei« bekämpfte, nicht mehr für eine Regierungsmehrheit gebraucht. Insofern könnte man sagen: Mission erfüllt, wenigstens teilweise.
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