Pflanzenhotel in Berlin: Wenn Zitronen und Orangen einchecken

Im Neuköllner Pflanzenhotel von Manuela Franck überwintern frostempfindliche Pflanzen

  • Anja Sokolow
  • Lesedauer: 5 Min.
Fruchtige Welt mitten im Winter: Manuela Franck in ihrem Pflanzenhotel
Fruchtige Welt mitten im Winter: Manuela Franck in ihrem Pflanzenhotel

Manuela Franck pflückt eine Mandarine vom prall gefüllten Strauch und beißt direkt hinein. »Man kann die Schale sogar mitessen, sie ist ganz süß«, schwärmt die Gärtnerin. Ein paar Schritte weiter wachsen Grapefruits, riesige Zitronen und Orangen. Und das mitten in Berlin. In ihrem Pflanzenhotel am Britzer Garten in Neukölln bringt Franck Pflanzen und Sträucher über den Winter, die sonst auf Terrassen und Balkonen erfrieren würden. Unter den unzähligen Zitrusfrüchten sind auch Exoten, wie »Buddhas Hand«, deren fingerartige Form an eine Hand erinnert. Auch diese Früchte sind jetzt erntereif.

Mangos und Grüner Pfeffer reifen im Berliner Winter 

2023 hat Manuela Franck die damalige Parkgärtnerei übernommen und ihr »Pflanzenhotel« gegründet. Auf rund 1000 Quadratmetern hat sie hier im Winter einen der wohl grünsten Arbeitsplätze Berlins. Neben den Zitrusfrüchten haben im vergangenen Herbst auch viele andere Bäumchen, Sträucher und Pflanzen eingecheckt, wie zum Beispiel Strelitzien, Schmucklilien, Olivenbäume, Agaven, Granatäpfel, Mangos, Glanzmispeln, Oleander, Fuchsien, Wandelröschen, Palmen oder Rosa Pfeffer. Neben Privatleuten zählt Franck auch den Britzer Garten selbst zu ihren Kunden, zahlreiche Gewächse von dort stehen ebenfalls in den Gewächshäusern.

»Manchmal fühle ich mich wie ein Sanatorium. Einige Pflanzen sind sehr krank, wenn sie zu mir kommen und gesund, wenn sie wieder abgeholt werden.«

Manuela Franck Pflanzenhotel »Buddhas Hand«

»Einige Kunden kommen auch zum Ernten«, sagt die Gärtnerin. Einer habe vor einigen Tagen etwa zehn Kilogramm Zitronen gepflückt. Die meiste Zeit ist Franck mit ihren Hotelgästen aber allein und hat alle Hände voll zu tun: Sie müssen gewässert, gedüngt, geschnitten, auf Schädlinge überprüft und gegebenenfalls behandelt werden. »Manchmal fühle ich mich wie ein Sanatorium. Einige Pflanzen sind sehr krank, wenn sie zu mir kommen und gesund, wenn sie wieder abgeholt werden«, erzählt die Inhaberin und zeigt eine Bananenstaude, die eigentlich schon tot wirkt. Doch Manuela Franck hat noch eine Spur von Leben in ihr entdeckt und geht davon aus, dass sie im Frühjahr gesund wieder auschecken kann.

Drei Klimazonen für unterschiedliche Ansprüche

Weil die Ansprüche unterschiedlich sind, hat Franck die Gewächshäuser in drei Klimazonen unterteilt. »Es gibt Bereiche mit fünf, zehn und zwölf Grad«, erklärt die Zierpflanzengärtnerin, die unter anderem auch gelernte Floristin und Meisterin im Garten- und Landschaftsbau ist. Ihre Kunden kommen laut der Pflanzenhotel-Chefin aus Berlin und Brandenburg, unter ihnen seien viele Stammkunden. »Viele hängen sehr an ihren Pflanzen«, erzählt Franck.

Zu den Stammkunden gehört Nicole Feldmann, die seit Jahren unter anderem Palmen, Olivenbäumchen, Orangen und Zitronen ins warme Winterquartier bringt. Der Aufwand lohne sich für sie auf jeden Fall. »Mit den Pflanzen in meinem Garten fühle ich mich wie im Urlaub, das ist mein Ausgleich zum Leben in der Großstadt«, sagt die Immobilienkauffrau. Die Mühe, die Pflanzen jedes Jahr wegzubringen und wieder abzuholen, lohne sich für sie, selbst wenn die Pflanzen mehr Zeit des Jahres im Hotel verbringen als im Garten. Sie sei froh, auch immer wieder Tipps und Hilfe bei der Pflanzenpflege von Manuela Franck zu bekommen.

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Unter den Pflanzenliebhabern seien auch viele ältere Menschen. Gelegentlich komme es vor, dass diese ihre Pflanzen nach dem Überwintern gar nicht mehr abholen könnten, da sie zum Beispiel in ein Heim ziehen müssten, erzählt Franck. Daher veranstaltet sie jeweils im Frühjahr einen Pflanzenflohmarkt.

In Schöneiche überwintern vor allem Oliven, Oleander und Palmen 

Auch andere Gärtnereien in der Region bieten mediterranen und anderen wärmeliebenden Gewächsen im Winter ein warmes Zuhause. »Oliven, Oleander und Palmen sind bei uns die häufigsten Pflanzen. Das Spektrum ist aber sehr vielfältig und jedes Jahr kommen neue Pflanzen hinzu, denn die Menschen reisen viel und bringen immer neue Ideen mit«, erzählt Andrea Müller von der Gärtnerei Flora-Land Arnold in Schöneiche (Oder-Spree).

Auch in Zehlendorf, bei Rothe Gartenbau, lassen laut einer Mitarbeiterin jährlich zahlreiche Pflanzenliebhaber ihre Yucca-Palmen, Kamelien, Oliven überwintern. »Manche Kunden haben zwei Pflanzen, andere 20«, erzählt Sabine Migge. »Wenn Zitronen oder andere Früchte reif sind, rufen wir die Kunden an, die dann gern zum Ernten kommen. Manche kommen auch mit ihren Kindern«, sagt sie.

Zahl der Anbieter nimmt ab 

Laut Zentralverband Gartenbau hält der Trend, Pflanzen überwintern zu lassen, insgesamt an. Die Anzahl der Gärtnereien, die den Service anbieten, nehme aber ab. »Der Aufwand ist deutlich höher geworden«, sagt Sprecherin Patricia Steinborn mit Blick auf steigende Energie- und Lohnkosten. Aber auch die Logistik sei aufwendig, vor allem wenn die Pflanzen im Mai wieder an die Kunden zurückgehen.

»Im Mai ist in den Zierpflanzengärtnereien Hochsaison«, sagt Steinborn. Für viele Betriebe sei es daher schwierig, dann die Auslieferung der Wintergäste zu organisieren. Aus Sicht Manuela Francks ist es sinnvoll, sich zu entscheiden: entweder reine Gärtnerei oder Überwinterung. Sie hat sich für letzteres entschieden und hat auch im Sommer noch Arbeit, denn dann kontrolliert sie im Britzer Garten die Gesundheit ihrer Wintergäste. nd/dpa

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