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ITB in Berlin: Sparen, um zu reisen
Die deutsche Tourismusindustrie verkauft mehr Urlaubsträume denn je
Donald Trumps Schwiegersohn ist in dieser Woche auf dem Berliner Messegelände präsent. Zwar dürfte Jared Kushner die Internationale Tourismusbörse (ITB) – die Reisemesse mit über 5000 Ausstellern aus gut 150 Ländern und Regionen begann am Montagabend mit einem Showprogramm – nicht leibhaftig besuchen, aber das diesjährige Partnerland Albanien sorgt für Gesprächsstoff. Kushner will dort ein Luxusresort bauen, in der Nähe eines neuen Flughafens, der im Süden des Landes gebaut wird. Beide Projekte sind umstritten, da sie Naturschutzgebiete gefährden.
Nicht allein in Albanien gehört der Tourismus zu den boomenden Branchen. »Die Lust auf Reisen lassen sich die Deutschen trotz aller Krisen und ökonomischen Herausforderungen nicht nehmen«, freut sich der Präsident des Deutschen Reiseverbandes, Norbert Fiebig. Nach Angaben der hiesigen Tourismusbranche haben die Ausgaben 2024 einen neuen Rekordwert erreicht: Für alle vor Reiseantritt gebuchten Reisen wurden 83,4 Milliarden Euro ausgegeben – ein Plus von 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit wurden bereits rund 14 Milliarden Euro mehr ausgegeben als vor der Corona-Pandemie. Während die Wirtschaftsleistung insgesamt in Deutschland kaum höher als 2019 ist.
Auf Pauschalreisen entfällt rund die Hälfte des Umsatzes der hiesigen Tourismuswirtschaft. Für 2025 erwartet sie einen weiteren deutlichen Anstieg der Umsätze um sechs Prozent. Bei den Zielen dominierte im vergangenen Jahr weiter das Ausland, wobei Spanien klar vor Italien, der Türkei, Griechenland und Österreich lag. Das Inland konnte leicht von 22 auf 24 Prozent Marktanteil zulegen. Schleswig-Holstein belegte erstmals Platz eins unter den Bundesländern, vor Bayern und Mecklenburg-Vorpommern.
Nach Angaben der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR), einer Denkfabrik der Branche, verreisten im vergangenen Jahr 56 Millionen Bundesbürger, so viele wie noch nie zuvor. Als »Reise« gilt ein Urlaub, der wenigstens fünf Tage dauert. Inklusive aller Ausgaben vor Ort für Essen, Sonnenschirme und Museumsbesuche erreichte das Urlaubsbudget 127 Milliarden Euro – was der Hälfte des deutschen Exportüberschusses entspricht. Galt einst das Auto als das liebste Kind der Deutschen, scheint es heute die Reise zu sein. Die Branchenzahlen zeigen aber zugleich, dass immerhin 27 Millionen Bürger nicht verreisen. Und selbst viele, die sich eine Urlaubsreise gönnen, schöpfen nicht aus dem Vollen: In einer Umfrage gaben 67 Prozent der Befragten an, in den letzten zwölf Monaten gespart zu haben, um reisen zu können.
»Die große Reiseerfahrung sowie vielseitige Urlaubsinteressen sorgen dafür, dass zumindest eine lange Urlaubsreise im Jahr für die meisten zum Leben dazugehört«, erklären die FUR-Analysten dazu. Und selbst bei den Urlaubsausgaben gebe es in der wachsenden »preissensiblen« Gruppe mit schrumpfenden Reisebudgets unterschiedliche Strategien, die am Ende dafür sorgten, dass nur wenige aus finanziellen Gründen auf ihre Reisen verzichten. Hinzu komme ein Trend zu teuren Reisen. Dagegen stagniere die Nachfrage nach umweltschonendem Tourismus.
Eine Erfolgsgeschichte schreibt weiterhin die Kreuzfahrt-Industrie. Aida und Tui Cruises werden beim Umsatz mit Pauschalreisen nur noch von Dertour – gehört zum Lebensmitteleinzelhändler Rewe – abgehängt und von Tui. Der Berliner Konzern, der eigene Reisebüros, Hotels und Fluggesellschaften unterhält, gilt als das größte Touristikunternehmen der Welt.
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