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Abriss des SEZ in Berlin-Friedrichshain ist beschlossen
Berlins landeseigenes Immobilienunternehmen WBM schreitet im ehemaligen Spaßbad zur Tat und beauftragt eine Machbarkeitsstudie zum Abriss
Lars Dormeyers Urteil steht. »In meinen 25 Jahren in der Immobilienwirtschaft habe ich noch nie ein Objekt gesehen, das so heruntergewirtschaftet war«, sagt der Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) am Montag. Dormeyer hat die Presse in die Zentrale des landeseigenen Immobilienunternehmens geladen, um über sein neues Sorgenkind an der Landsberger Allee zu sprechen. Seit Beginn des Jahres ist die WBM Eigentümerin des ehemaligen Sport- und Erholungszentrums (SEZ) – und damit einer ostdeutschen Ikone.
Mit der, so scheint nun beschlossen, soll es jetzt aber zu Ende gehen. Wie die WBM mitteilt, wird das Unternehmen eine Machbarkeitsstudie beauftragen, die als Grundlage für das weitere Vorgehen am SEZ dienen soll. Ein Erhalt des DDR-Baus sei dabei ausgeschlossen, so Dormeyer: »Wir stehen ganz klar für Abriss und Neubau.« Zwischen 500 und 600 Wohnungen sollen auf dem rund 20 000 Quadratmeter großen Areal an der Landsberger Allee entstehen, 50 Prozent von ihnen Sozialwohnungen.
Beim Thema Wohnungsbau sieht der WBM-Chef einen gesellschaftlichen wie überparteilichen Konsens. Wer sich für den Erhalt des SEZ stark mache, stelle sich gegen die Mehrheit. »Auch ich war Ende der 80er Jahre im SEZ und habe mich dort erfreut«, sagt Dormeyer. Doch wie irgendjemand auf die Idee kommen könne, dass der historische Gebäudekomplex noch zu retten ist, sei für ihn nicht nachzuvollziehen. »Das Ding ist so runtergewirtschaftet, ich will nicht wissen, was eine Revitalisierung kosten würde. Ich will nicht wissen, wie sehr man die Tickets bezuschussen müsste.«
Dormeyer berichtet von Müll, der sich bis unter die Decke stapelt, von zurückgelassenen Baumaterialien und von herumliegenden Fäkalien. Teile des Gebäudes seien zwischenzeitig als Pferdestall genutzt worden, auch hätten sich Unbefugte offenbar Zutritt zum Gelände verschafft und im SEZ gehaust. In einzelnen Räumen fänden sich Möbel und Spuren kleinerer Feuer.
»Das Ding ist so runtergewirtschaftet, ich will nicht wissen, was eine Revitalisierung kosten würde.«
Lars Dormeyer Geschäftsführer WBM
Die WBM hatte zuletzt die Zwischennutzung des Gebäudekomplexes untersagt und Schlösser auf dem Gelände ausgetauscht. Rund um die Uhr bewacht ein Sicherheitsdienst des Unternehmens das neu eingezäunte Areal. Als Eigentümer könne die WBM eine Öffnung des Gebäudes nicht länger verantworten, so Dormeyer. Es bestehe keinerlei Brandschutzkonzept, Besucher*innen könnten von herabfallenden Deckenelementen verletzt werden. Strom und Wasser wurden im SEZ bereits Ende 2024 abgestellt.
Die Nutzungsuntersagung gelte für alle, die zuletzt im Gebäudekomplex aktiv waren, teilt der WBM-Chef mit. Das gelte auch für den Technoclub, der seinen Betrieb mit einer autarken Stromversorgung sicherstellen wollte. Wie Dormeyer in Erinnerung ruft, verfüge keiner der Zwischennutzer über einen Mietvertrag. »Aber auch mit Mietvertrag hätten wir die Nutzung nicht gewährleisten können«, sagt er.
Mit dem Abriss des SEZ soll es nun möglichst schnell gehen. Im Idealfall rechnet Dormeyer im letzten Quartal des Jahres mit einem Ergebnis der Machbarkeitsstudie. Mit diesem könne dann ein konkreter Zeitplan für den Abriss erstellt werden, bei dem sich der WBM-Geschäftsführer im Moment noch nicht festlegen will. Das Gleiche gilt für die Kosten des Großprojekts.
Für die Studie soll der DDR-Bau unter anderem auf seine Statik und auf Schadstoffe hin untersucht werden. Man wolle prüfen, ob einzelne Elemente des SEZ weiter genutzt und Materialien wiederverwendet werden können, so Dormeyer. Ein »absoluter Zwang« hierzu bestehe allerdings nicht. Auch Optimierungen des vorliegenden Bebauungsplans infolge der Machbarkeitsstudie will die WBM nicht ausschließen.
Neben den Wohnungen sollen auf dem Gelände Gewerbe- und vielleicht auch Freizeitflächen entstehen. Wie Dormeyer klarmacht, liegt der Fokus aber auf dem Wohnungsbau: »Dieser Aufgabe sehen wir uns verpflichtet, nicht irgendwelche alten Schwimmbäder zu betreiben.« Was vom SEZ wohl letztlich bleiben wird, ist die Erinnerung. Schautafeln oder Ausstellungsstücke vor dem Neubau: »Da gibt es verschiedene Möglichkeiten«, sagt der WBM-Chef.
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