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Sondierungen für Sondervermögen

Die Verhandlungen von Union und SPD über Haushalt und Schuldenbremse-Reform stehen im Zeichen massiver Aufrüstung

Alles für die Truppe: In einem gemeinsamen Papier schlagen tonangebende Ökonomen ein weiteres Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 400 Milliarden Euro vor.
Alles für die Truppe: In einem gemeinsamen Papier schlagen tonangebende Ökonomen ein weiteres Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 400 Milliarden Euro vor.

Wieder trafen sich am Dienstag die Verhandlungsführer von CDU, CSU und SPD, um über die künftige Ausgabenpolitik zu beraten. Während in vielen wirtschafts-, sozial- und finanzpolitischen Fragen große Differenzen bestehen, besteht bei allen Einigkeit darin, dass die Militärausgaben drastisch aufgestockt werden müssen. Dies könnte über ein weiteres Sondervermögen der Bundeswehr geschehen.

Bereits am Montag hatte die Nachricht die Runde gemacht, dass die Sondierenden die Einrichtung von gleich zwei milliardenschweren Sondervermögen in Erwägung ziehen: für die Streitkräfte und für Investitionen in die Infrastruktur. Obwohl sich die Vertreter der beteiligten Parteien dazu bislang nicht öffentlich äußern wollten, dürften diese beiden Schattenhaushalte Gegenstand der Verhandlungen sein. Medienberichten zufolge dienen ihnen als Grundlage für ihre Beratungen ein Vortrag von Finanzminister Jörg Kukies (SPD) über die Haushaltslage und ein gemeinsames Papier der vier tonangebenden Ökonomen Clemens Fuest, Moritz Schularick, Michael Hüther und Jens Südekum.

Die Wirtschaftswissenschaftler sehen bei der Bundeswehr einen Investitionsbedarf in Höhe von 400 Milliarden Euro. Den Umfang der dringendsten Investitionen in die Infrastruktur – also Straßen, Schulen, Schiene und anderes – beziffern sie demnach auf 400 bis 500 Milliarden Euro. Sie schlagen dafür die Einrichtung von Sondervermögen in entsprechender Höhe vor, die im Grundgesetz verankert werden sollen. Für diese wäre im Parlament eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die wäre nur im abgewählten Bundestag mit den Abgeordneten der Grünen und der FDP gegeben. Letztere ist im neuen Parlament nicht mehr vertreten.

SPD und Grüne hatten ein ähnliches Vorgehen bereits vor mehr als einer Woche vorgeschlagen, wenngleichmit einem Fokus auf einer generellen Abkehr von der Schuldenbremse. Die lehnen CDU und CSU aber bislang ab. Die nun oppositionellen Grünen drängten die Sondierenden am Dienstag unter Verweis auf die veränderte internationale Lage, Sondervermögen oder Schuldenbremsereform noch vor der Konstituierung des neuen Parlaments Ende des Monats zu beschließen.

Tonangebende Ökonomen sehen bei der Bundeswehr einen Bedarf von 400 Milliarden Euro und beziffern die dringendsten Investitionen in die Infrastruktur auf weitere 400 bis 500 Milliarden.

Teilnehmer der Sondierungen äußerten sich diesbezüglich optimistisch. Zu ihnen gehört auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Sie sagte am Dienstag, Deutschland müsse gleichzeitig der Ukraine helfen, die Bundeswehr stärken, aber auch genug Geld haben, um die eigenen Probleme im Land zu lösen. CSU-Chef Markus Söder, der ebenfalls am Verhandlungstisch sitzt, hatte bereits am Wochenende eine Art Einkaufsliste für die Bundeswehr vorgelegt. Die Truppe brauche eine »Vollausstattung«, sagte Söder der »Welt am Sonntag«. Dazu gehörten »eine Drohnen-Armee mit 100 000 Drohnen, 800 neue Panzer« sowie 2000 Patriot-Flugabwehrraketensysteme und 1000 Taurus-Marschflugkörper.

Derweil legte die Bundesbank am Dienstag ein Papier vor, in dem sie für eine Reform der Schuldenbremse plädiert. Die Neuverschuldung soll sich demnach daran orientieren, ob die Staatsverschuldung über oder unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt. Diese Marke ist in den EU-Maastricht-Verträgen als Obergrenze festgelegt. Bisher erlaubt die Schuldenbremse nur eine jährliche Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Bundesbank schlägt nun vor, die Grenze bei Schuldenquoten unter 60 Prozent auf 1,4 Prozent und bei höherer Verschuldung auf 0,9 Prozent Neuverschuldung anzuheben.

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In einem gemeinsamen Appell forderte am Dienstag auch ein Bündnis aus rund 30 Umwelt- und Sozialverbänden, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden die Verhandelnden auf, eine grundlegende Reform der Schuldenbremse im Koalitionsvertrag zu verankern. Dies sei nötig, um dringend benötigte Investitionen in eine klimaneutrale Wirtschaft und Infrastruktur sowie in soziale Sicherheit zu ermöglichen. Eine massive Aufrüstung bei genereller Lockerung der Schuldenbremse stellen weder das Bündnis noch das Institut für Makroökonomie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung grundsätzlich in Frage. Die Stiftung teilte am Dienstag auf X mit: »Selbst bei einer zusätzlichen Kreditaufnahme von 800 Milliarden Euro für Infrastruktur und Verteidigung bliebe unsere Schuldenquote unter 70 Prozent.«

Die Linke würde nach einem Beschluss ihres Vorstands vom Wochenende einer Aufhebung der Schuldenbremse zustimmen und wendet sich lediglich gegen »Taschenspielertricks wie Sondervermögen«. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag, Christian Görke, bot seinen Amtskollegen von Union, SPD und Grünen am Montag in einem Brief eine Zusammenarbeit bei der Reform der Schuldenbremse an. Der Fokus der Linken liege auf Investitionen »in die Zukunft unseres Landes«, so Görke. Eine Reform, die »ausschließlich Militär- und Aufrüstungsausgaben« priorisiere, werde man aber nicht mittragen.

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