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Kein Ende der Anklagen gegen Kurden

Erneut stehen in Deutschland Menschen wegen PKK-Mitgliedschaft vor Gericht

Der Appell von PKK-Gründer Öcalan, nur noch unbewaffnet für Emanzipation und Freiheit zu kämpfen, wurde von Kurden in der Türkei, im Irak und in Nordsyrien begrüßt. Die deutschen Behörden halten gleichwohl an der Strafverfolgung von PKK-Sympathisanten fest.
Der Appell von PKK-Gründer Öcalan, nur noch unbewaffnet für Emanzipation und Freiheit zu kämpfen, wurde von Kurden in der Türkei, im Irak und in Nordsyrien begrüßt. Die deutschen Behörden halten gleichwohl an der Strafverfolgung von PKK-Sympathisanten fest.

Am 27. Februar hat der in der Türkei inhaftierte Mitbegründer der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan, zu deren Auflösung und Aktive zum Niederlegen der Waffen aufgerufen. Dies wird international als weitreichendes Friedensangebot insbesondere an den die Kurden brutal unterdrückenden türkischen Staat angesehen.

Doch in Deutschland, wo die PKK seit mehr als 30 Jahren als »terroristische Vereinigung« verboten ist, stellten die Ermittlungsbehörden umgehend klar, dass die Unterstützung der Partei – und teilweise anderer kurdischer Organisationen – strafbar bleibt. Das bedeutet, dass Menschen, die diese unterstützen, weiter juristisch verfolgt werden. Die Verfahren gegen vermeintliche Unterstützer*innen der PKK gehen somit weiter, wie der Rechtshilfefonds für Kurd*innen in Deutschland, Azadi, mitteilte.

So wurde am 28. Februar, einen Tag nach Öcalans Erklärung, der kurdische Aktivist Haci Atlı vom Oberlandesgericht (OLG) München wegen Mitgliedschaft in der PKK zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der 7. Strafsenat sah es als erwiesen an, dass der 51-Jährige von Februar 2021 bis Januar 2023 den Raum München für die Partei geleitet habe. Sein Vergehen: »mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland« nach den Paragrafen 129a und 129b des Strafgesetzbuchs. Vorgeworfen wurden ihm, wie bei 129a-Verfahren üblich, eigentlich vollkommen legale Tätigkeiten wie das Sammeln von Spenden, das Organisieren von Veranstaltungen oder Fahrten zu diesen. Zur Liste der »Delikte« gehören eine Rede bei der Trauerfeier für seine vom türkischen Militär getötete Cousine und die Teilnahme an einer Kundgebung für die Freilassung eines anderen vor dem OLG München angeklagten Kurden.

Ebenfalls am 28. Februar hat vor dem OLG Stuttgart ein neues Verfahren wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft begonnen. Angeklagt ist Mehmet Ali Yilmaz, dem die Generalstaatsanwaltschaft vorwirft, als PKK-Mitglied vom August 2015 bis Juni 2016 das Gebiet Heilbronn sowie anschließend bis Juli 2017 das Gebiet Pforzheim geleitet zu haben. Die Vorwürfe gegen den 68-Jährigen sind gleichlautend wie im Fall von Haci Atlı.

Ein weiterer Prozess soll ab dem 18. März vor dem OLG Düsseldorf stattfinden. Angeklagt wegen Aktivitäten für die PKK ist dort Selahattin K. Datum und Ort des Verfahrens sind besonders pikant. Der Prozess soll im Hochsicherheitsgebäude des OLG stattfinden, und der Tag des Prozessauftakts wird insbesondere von linken Organisationen in aller Welt als Internationaler Tag der Solidarität mit den politischen Gefangenen begangen. Auch in Deutschland sind Solidaritätsaktionen geplant, zu denen unter anderem die Gefangenenhilfsorganisation Rote Hilfe aufruft.

Die Verfolgung kurdischer Aktivist*innen hat eindeutig einen politischen Charakter. Da sie alle nach Paragraf 129b angeklagt werden, muss das Bundesjustizministerium in jedem einzelnen Verfahren eine Verfolgungsermächtigung erteilen. Das ist eine Bescheinigung darüber, dass Zweck und Ziel der Vereinigung, der die Beschuldigten angehören sollen, aus Sicht der Bundesregierung terroristisch sind und die Strafverfolgung daher in deren Interesse liegt.

Das Bundesinnenministerium hat bereits erklärt, dass die Erklärung Öcalans nichts an der Verfolgungspraxis in Deutschland ändern wird. »Die PKK ist mit ihren etwa 14 500 Anhängern in Deutschland die mitgliederstärkste terroristische Vereinigung auf deutschem Boden«, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Darüber dürfe der »strategische Gewaltverzicht« nicht hinwegtäuschen. Vielmehr gäben bislang die Aktivitäten der PKK im Hinblick auf die logistische und finanzielle Unterstützung der Gesamtorganisation ebenso Anlass zur Sorge wie etwa die Rekrutierung junger Menschen für den bewaffneten Kampf im Ausland, so der Sprecher.

Seit Jahren verlangen zivilgesellschaftliche Gruppen, die PKK von der Liste der terroristischen Organisationen zu streichen und die Verfolgung kurdischer Aktivist*innen in Deutschland zu beenden. Sie verweisen darauf, dass die PKK und ihr nahestehende Organisationen einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat geleistet haben. Doch die deutsche Justiz verfolgt Kurd*innen weiter mit großem Eifer.

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