Jedes Training ist besser als Hass

Ausstellung im Potsdamer Landtag zeigt gute Beispiele für Integration durch Sport

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Fariness und Sportsgeist: Handschlag vor einem Fußballspiel des ESV Lok Potsdam II gegen Welcome United Babelsberg 03 im Jahr 2025
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William Tchouba ist 2009 aus seinem Heimatland Kamerun via Dänemark nach Deutschland gekommen. Seine Leidenschaft für den Fußball hat ihm geholfen, sich in Brandenburg einzuleben. Während er noch im Asylheim untergebracht war, begann er bei Borussia Bad Belzig zu spielen, betätigte sich dort später als Trainer. Mit seinen eigenen Erfahrungen konnte Tchouba Unterstützung leisten, als 2015 viele syrische Kriegsflüchtlinge eintrafen. »Ich konnte so vielen Geflüchteten helfen, habe aber auch viel von ihnen gelernt«, sagt Tchouba.

Sein Schicksal und das von vielen anderen erzählt die Ausstellung »Wege in den Sport«. Sie wurde am Dienstagabend im Foyer des Potsdamer Landtags eröffnet. Die Ausstellung zeigt an mehr als 30 Beispielen, wie Integration durch Sport gelingen kann.

»Es sind die positiven Erfahrungen aus dem alltäglichen Leben, die wir brauchen, an die wir anknüpfen können«, erklärt Parlamentspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD). »Integration ist Bereicherung, aber auch verbunden mit Mühe. Deshalb kann der gesellschaftliche Wert ehrenamtlicher sportlicher Aktivitäten für und mit Geflüchteten nicht hoch genug geschätzt und gewürdigt werden. Sportvereine geben ein Gefühl von Miteinander, von Heimat, vom Dazugehören.« Die Politikerin glaubt: »Hier findet Hass gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund keinen Platz.«

Nach Ansicht von Karl-Heinz Hegenbarth, Präsident des Landessportbunds, zeigt die Ausstellung, »dass Zugewanderte nicht nur passive Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind, sondern sich umfangreich engagieren und aktiv in der Sportorganisation mitwirken«.

Majeed Behzad ist ein Beispiel dafür. In Afghanistan hatte er in Masar-i-Scharif als Übersetzer für die Bundeswehr gearbeitet. Als die Soldaten abzogen, musste er vor den Taliban fliehen. In Frankfurt (Oder) gründete Behzad die Fußball spielende Gruppe »Jaran« (Freunde). Bei Turnieren gelang es, Kontakte zu knüpfen.

Ein anderes Beispiel ist Ninh Do, die an der Universität Potsdam promovierte und über ihre Landsleute sagt: »Die hier lebenden Menschen vietnamesischer Herkunft arbeiten zumeist in Nagelstudios oder Restaurants. Sie haben kaum Zeit für Projekte oder Zusammenkünfte.« Ninh Do leistet da Überzeugungsarbeit, damit die Vietnamesen etwa Schwimmkurse besuchen.

Schwimmtrainerinnen sind Khorzhid Alizadehseilabi und Golnoosh Ghadamian. »Ich wollte selbst über meine Religion entscheiden und konvertierte zum Christentum, und das hatte schwerwiegende Folgen«, berichtet Alizadehseilabi. »Ich hatte Arbeitsverbot und hätte auch getötet werden können.« Sich vom Islam abzuwenden, wird im Iran nicht akzeptiert. Darum suchten Alizadehseilabi und Ghadamian Asyl in Deutschland.

Vorgestellt werden neben Geflüchteten wie dem syrischen Schwimmer Mohamad Malik und neben Zuwanderern wie der ungarischen Schwimmtrainerin Krisztina Csukás auch Spätaussiedler wie Viktor Baumann, der 2001 aus Kasachstan nach Altes Lager zog und Volleyball spielt. Zunächst machten bei seinem Verein Elbor hauptsächlich andere aus Osteuropa Zugezogene mit, inzwischen sind es mehrheitlich Flüchtlinge aus aller Welt. »Die Leute kamen von überallher und wollten mitspielen, wir absolvierten 12 bis 14 Turniere im Jahr, spielten überall in Brandenburg, aber auch in Berlin«, erinnert sich Baumann.

Undenkbar wäre die Integration durch Sport aber genauso ohne Einheimische wie den Karatetrainer Ingo Lorenz, der in seiner Disziplin von jeher eine gemeinsame Sprache mit allen Athleten hat. Denn die Kommandos erfolgen im Karate traditionell auf Japanisch. Doch in der kunterbunt gewordenen Truppe von Lorenz in Brandenburg/Havel wird neben der körperlichen Ertüchtigung auch Deutsch gelernt.

Die Kraftsportlerin Anne Schlieter vom AC Rüdersdorf ist schon 85 Jahre alt. Sie war fünfmal deutsche Meisterin im Bankdrücken und stemmt schon seit 2006 die Integration durch Sport in ihrem Verein, in dem sie zur Schatzmeisterin gewählt ist. Schlieter betreute eine Gruppe Migrantinnen, die später mit einer Gruppe einheimischer Frauen zusammengelegt wurde, was wohl die beste Integration überhaupt ist.

Leistungssportler ist der Ringer Ilja Matuhin, dessen Familie aus Moskau stammt und der – Kenner werden sich darüber nicht wundern – in Luckenwalde ein neues Zuhause fand. Denn in Luckenwalde hat das Ringen eine lange und ruhmreiche Tradition. Iljas Bruder Nick war mehrfach deutscher Meister im Ringen und belegte 2012 bei den Olympischen Spielen in London Rang 16. Ilja hat bei den Junioren schon etliche Medaillen gewonnen und strebt an, ebenfalls bei Olympischen Spielen starten zu dürfen.

Aus Afrika stammt Abdul Carimo, genauer gesagt, aus Mosambik. Er kam 1981 in die DDR, um den Beruf des Kfz-Mechanikers zu erlernen. Der Hintergedanke dabei: Die DDR lieferte die in Ludwigsfelde gebauten Lkw nach Mosambik – und dort brauchte es Fachkräfte, die diese Fahrzeuge warten und reparieren können. Doch Abdul Carimo kehrte nicht in seine Heimat zurück, sondern blieb in Ludwigsfelde. Er begeistert sich für den Straßenfußball und kümmert sich um Jugendliche, die ohne erwachsene Angehörige nach Deutschland geflüchtet sind – aber nicht nur um die, sondern auch um Obdachlose. »Ich gebe die Freude am Sport an die Jugendlichen weiter«, sagt Carimo, der am Dienstagabend zur Eröffnung der Ausstellung im Landtag kam.

Ausstellung »Wege in den Sport – Ehrenamtliche Engagements im Programm ›Integration durch Sport‹«, bis 8. Mai, Mo bis Fr von 8 bis 18 Uhr, Foyer des Landtags, Alter Markt in Potsdam, Eintritt frei

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