Werbung

Der Sonnenbrand lässt grüßen

Jahrzehnte mit Strandurlaub und Solarium hinterlassen Spuren bei den Hautkrebsdiagnosen

Das war auf jeden Fall zu spät.
Das war auf jeden Fall zu spät.

Rein nach Schlagertexten ging es in den westdeutschen Wirtschaftswunderjahren und auch noch später recht häufig an den Strand, oft nach Italien. Ein gelegentlicher Sonnenbrand gehörte zu den üblichen Kindheitserlebnissen. Passend dazu gab es die »gesunde braune Haut« – und damit die Grundlage für heutige Hautkrebserkrankungen. Diese Schlussfolgerung lassen Daten zu, die am Donnerstag bei der Vorstellung des Barmer-Arztreports präsentiert wurden.

Von einer regelrechten Hautkrebswelle ist seitens der Barmer die Rede, denn in knapp 20 Jahren haben sich die Zahlen der Erkrankten bei schwarzem Hautkrebs (malignes Melanom) verdoppelt. 2005 hatten 188 600 Menschen diese Diagnose erhalten, 2023 waren es 417 400 Betroffene. Die Krankheit geht von den pigmentbildenden Zellen der Haut oder Schleimhaut aus, den Melanozyten. Als wichtigste Ursache gilt eine starke und wiederholte UV-Belastung, auch verbunden mit einem Sonnenbrand. Vor allem der Aufenthalt in der Sonne im Kindes- und Jugendalter spielt wohl eine besondere Rolle. »Offenbar gibt es so etwas wie ein Gedächtnis der Haut«, vermutet Barmer-Vorstand Christoph Straub.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Die Routinedaten der Barmer enthalten Diagnosen von zehn Prozent der Bevölkerung über einen Zeitraum von 19 Beobachtungsjahren. Daraus ließ sich auch ablesen, welchen Anteil einzelne Geburtsjahrgänge an den Krebserkrankungen hatten. Besonders deutlich wird das bei schwarzem Hautkrebs der Frauen, erläutert Studienautor Joachim Szecsenyi vom Aqua-Institut in Göttingen, das sich mit der Qualität im Gesundheitswesen beschäftigt. Die Diagnose malignes Malinom wird bei Frauen immer früher im Leben gestellt. Im Vergleich der Jahrgänge 1965 und 1955 zeigte sich, dass ähnliche Anteile an der Diagnose bei den jüngeren Frauen schon zehn Jahre früher erreicht waren. Die Erkrankung wurde mit dem Alter sogar noch häufiger, als bislang mit der üblichen Alterszunahme von Krebserkrankungen zu erwarten war.

Noch schlimmer sieht es bei weißem Hautkrebs aus: Hier verdreifachten sich die Zahlen im Zeitraum von 2005 bis 2023 von 630 000 auf 1,8 Millionen Fälle. Basaliome und Plattenepithelkarzinome werden oft zusammengefasst als weißer Hautkrebs bezeichnet. Diese Veränderungen zeigen sich als schuppende, verfärbte oder unebene Stellen auf der Haut. Meist können sie vollständig entfernt werden, sie breiten sich nur selten im Körper aus. Die Risikofaktoren für weißen Hautkrebs sind relativ weit gestreut: Dazu gehört die Erkrankung an Lymphatischer Leukämie, eine Organtransplantation, aber auch die langfristige Einnahme des harntreibenden Blutdrucksenkers Hydrochlorthiazid (HCT). Frauen und stark übergewichtige Menschen haben bei weißem Hautkrebs ein geringeres Erkrankungsrisiko.

Insgesamt geht aus dem Arztreport auch hervor, dass Frauen deutlich häufiger von Hautkrebs betroffen sind als Männer. 2023 lebten 225 600 Frauen mit dieser Diagnose in Deutschland, die gleichzeitig 191 800 Männer betraf. Die Neuerkrankungsraten lagen aber bei Männern höher. Insgesamt würden die Diagnosen bei Frauen früher gestellt, und diese überlebten zugleich länger als Männer, erläutert Sozialwissenschaftler Szecsenyi.

Gute Nachrichten gibt es aber auch: Laut dem Barmer-Report scheint ab den 80er-Jahrgängen das Hautkrebsrisiko wieder zu sinken. Das könne auch eine Folge von mehr Aufmerksamkeit für die Risiken von Sonnenbaden und Solariumsnutzung sein, vermutet Szecsenyi.

Mögliche Maßnahmen zur Prävention und Vorsorge sind heute relativ geläufig, aber man könne diese nicht oft genug wiederholen, meint Barmer-Chef Straub. So sollte jeder die gesetzlich mögliche Früherkennung, die von Haus- und Hautärzten durchgeführt werden kann, ab dem 35. Lebensjahr im zweijährigen Abstand wahrnehmen. Die Untersuchung ist seit 2008 Kassenleistung für gesetzlich Versicherte. Zusätzliche Angebote gibt es über Selektivverträge einzelner Krankenkassen.

Hinzu kommt ein ausreichender Hautschutz mit Sonnenhut und -schirm, aber auch mit Sonnencreme. Vor etwa 30 Jahren war bei derartigen Produkten der Lichtschutzfaktor noch einstellig. Heute empfiehlt etwa das Bundesamt für Strahlenschutz für Erwachsene mindestens LSF 20 und für Kinder 30. Entsprechend haben sich die angebotenen Produkte verändert: LSF 20 ist bereits seltener geworden. Für Kinder und bei intensiver Sonneneinstrahlung wie in den Bergen wird generell ein sehr hoher LSF (50+) empfohlen. Nach neueren Studien kann die Verwendung von Schutzlotions oder ähnlichen Produkten mit einem LSF über 15 schon dazu beitragen, das Risiko für ein malignes Melanom um etwa ein Drittel zu reduzieren.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.