Kristian Ronneburg über Olympia in Berlin: »Wie ein Hohn«

Der Linke-Abgeordnete Kristian Ronneburg über Olympia und die Sanierung von Sportstätten

  • Ralf Fischer
  • Lesedauer: 5 Min.
1936 fanden das letzte Mal Olympische Spiele in Berlin statt – 100 Jahre später sollen sie nach Senatswillen zurückkehren.
1936 fanden das letzte Mal Olympische Spiele in Berlin statt – 100 Jahre später sollen sie nach Senatswillen zurückkehren.

Schwarz-Rot in Berlin plant mit der Hansestadt Hamburg eine gemeinsame Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele im Jahr 2036 oder 2040. Zugleich blieb aber die Sportstättensanierung in der Hauptstadt im vergangenen Jahr weit hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. Eine Umfrage ergab jüngst, dass derzeit ein Sanierungsstau von über 410 Millionen Euro vorliegt. Was halten Sie von dem Plan der aktuellen Landesregierung?

Zunächst möchte ich sagen: CDU und SPD in Berlin könnten schon jetzt mehr Geld in die Sportinfrastruktur stecken und vor allem mehr für die Sanierung von Turnhallen machen. Fast in allen Bezirken sind Turnhallen gesperrt, da wirkt es wie Hohn, wenn es heißt, dass Berlin durch Olympia wieder fit werden wolle. Wohlgemerkt: für Olympische Spiele, bei denen das IOC alle Rahmenbedingungen vorgibt und satte Gewinne abkassiert. Die enormen Kosten bleiben immer bei den Olympiastädten und -ländern hängen. In Berlin kommt hinzu, dass die Olympia-Träume des Senats dem Haushaltschaos, das Schwarz-Rot angerichtet hat, noch die Krone aufsetzen. Dabei ist doch klar: 2036 wird in Berlin nichts stattfinden. Eine europäische Bewerbung würde laut IOC erst ab 2040 oder 2044 zum Zug kommen. Deswegen ist es auch Unsinn, wenn der Regierende Bürgermeister weiterhin dieses Ziel ausgibt. Eine Bewerbung für 2036 wäre aus unserer Sicht ohnehin indiskutabel, wenn man 100 Jahre nach den Nazispielen deutsche Geschichte überschreiben will. Außerdem hat das IOC klargemacht, dass es keine gemeinsamen Bewerbungen wie von Berlin und Hamburg angedacht haben will. Auch Hamburg hat bereits deutlich gemacht, dass es sich ohne Berlin bewerben würde. Bei einer alleinigen Bewerbung Berlins wird der Senat noch mehr Gelder zur Verfügung stellen müssen. Aus den genannten Gründen lehnen wir als Linke auch grundsätzlich eine Bewerbung Berlins ab. Wir müssen uns stattdessen voll darauf konzentrieren, dass wir etwas gegen die soziale Spaltung in dieser Stadt unternehmen. Aber mit Olympia, Magnetschwebebahn und Co. lebt dieser Senat sowieso in seiner eigenen Realität, fernab von den wahren Sorgen der Berlinerinnen und Berliner wie den steigenden Mieten und explodierenden Preisen.

Interview

Kristian Ronneburg ist sportpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Der ausgebildete Sozialwissenschaftler gehört seit 2016 dem Berliner Landesparlament an.

Im Koalitionsvertrag wurde beschlossen, das Fußballstadion des BFC Dynamo in Hohenschönhausen für die dritte Liga zu ertüchtigen. Derzeit geistert ein Kostenvoranschlag durch die Presse mit einem Gesamtvolumen von 81 Millionen Euro. Ist diese Summe gerechtfertigt gerade in Anbetracht der Tatsache, dass der BFC derzeit nicht mal um den Aufstieg in der Regionalliga mitspielt?

Der Senat hat zunächst einmal für eine Viertelmillion Euro eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die zu dem Schluss kommt, dass der Masterplan für das Sportforum nur umgesetzt werden könne, wenn das Fußballstadion abgerissen und neu gebaut würde; das heißt, Sanierung und Masterplan würden sich gegenseitig ausschließen. Dem widerspricht jedoch das Bezirksamt Lichtenberg. Hinzu kommt: Ein solcher Neubau ist unter den aktuellen Bedingungen des Haushaltschaos von Schwarz-Rot in keinster Weise vorstellbar.

Was halten Sie allgemein von den Ausbauplänen?

Der BFC hat deutlich gemacht, dass er gar keinen Neubau will, sondern möglichst kurz- und mittelfristig mit Umbauten die Drittligatauglichkeit erreichen will. Das unterstützen wir, wenn wir den Masterplan für das Sportforum gleichermaßen umgesetzt kriegen.

Der Umbau des Jahnstadions in Prenzlauer Berg wurde nun zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres gestoppt. Das Berliner Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die Westtribüne, zwei Sanitärgebäude und zwei Trafohäuser des Stadions vorerst nicht abgerissen werden dürfen, weil dort Spatzen nisten. Wie bewerten Sie die derzeitige Situation rund um den Jahnsportpark?

Der Senat will mit dem Kopf durch die Wand, anders kann man es nicht ausdrücken. Auf meine Frage im Sportausschuss im September vergangenen Jahres nach der Berücksichtigung des Artenschutzes antwortete Bausenator Christian Gaebler (SPD) noch, dass seine Bauleute nicht doof seien. Wir haben gesehen, was dann passiert ist. Aktuell drängt sich der Eindruck auf, dass nach der erneuten Abweisung der beantragten Aufhebung des Abrissstopps die politische Hausleitung die kompetenten Bauleute so unter Druck gesetzt haben muss, dass sie sich gezwungen sahen, ihr Kompetenzen in Sachen Artenschutz hintanzustellen und den Abriss rücksichtslos gegen den gesetzlich gebotenen Artenschutz zu starten.

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Das Olympiastadion im Berliner Westend müsste für eine Olympia-Bewerbung umfassend hergerichtet werden, dabei bleibt es als Fußballstadion weiterhin ungeeignet. Wie passt das zusammen mit der Idee, dem Zweitligisten Hertha BSC ein neues Stadion auf dem Gelände des Olympiaparks zu errichten?

Hertha will mit eigenen finanziellen Mitteln ein eigenes Fußballstadion errichten. Man darf gespannt sein, wie der Verein das stemmen will. Im Frühjahr soll die Entscheidung für einen Standort erfolgen. Hier muss der Senat auch endlich Transparenz herstellen. In jedem Fall braucht es vor Ort einvernehmliche Lösungen.

Der Fußballbundesligist Union Berlin plant das Stadion »An der Alten Försterei« in Köpenick bis zum Sommer 2027 auf die Kapazität von 40 000 Plätze zu erweitern. Dafür zeichneten Fans Tausende von Aktien, die es dem Verein ermöglichen, mit dem eingesammelten Eigenkapital bessere Bedingungen für Finanzierungsmaßnahmen auf dem freien Markt zu erreichen. Wäre solch eine Einbindung der Fans auch für weitere Berliner Profivereine nachahmenswert?

Das müssen die Vereine beurteilen. Aber ich denke, Union ist hier ganz vorne, wenn es um die Einbindung der Fans geht und auch darum, im Profi-Fußball ein Zeichen zu setzen gegen die negativen Auswüchse zunehmender Kommerzialisierung. Man will dort auch künftig das Gelände zu einem Kultur- und Musikzentrum entwickeln. Das sind, wie ich finde, die richtige Schritte, um den Zusammenhalt zu stärken, gerade in diesen Zeiten.

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