Ein Bergführer gegen RWE

Der Energiekonzern soll Schutzmaßnahmen für eine peruanische Stadt bezahlen, die durch den Klimawandel bedroht ist

Der Kläger Saúl Luciano Lliuya vor dem Oberlandesgericht in Hamm.
Der Kläger Saúl Luciano Lliuya vor dem Oberlandesgericht in Hamm.

Saúl Luciano Lliuya hat einen langen Atem. 2015 hatte der peruanische Bergführer bereits eine Klage gegen den deutschen Energiekonzern RWE eingereicht. Verhandelt wird noch immer. Er macht die CO2-Emissionen aus der Kohleverstromung für die Gletscherschmelze in Peru mitverantwortlich, von der Lliuano sich unmittelbar bedroht sieht. Denn der Wasserpegel in der Palcacocha-Lagune oberhalb seines Hauses im Zentrum von Huaraz steigt bedrohlich an. Wenn der See überläuft oder ein Damm bricht, dann droht eine Flutwelle über die Kleinstadt hereinzubrechen.

Am Montag und Mittwoch wird das Oberlandesgericht Hamm die zivilrechtliche Klage von Lliuya erneut verhandeln. Dann werden Richter darüber befinden, inwieweit der Kläger und seine Familie tatsächlich bedroht sind. In den Verhandlungen soll festgestellt werden, »ob ein rechtlich hinreichendes Risiko für meinen Kläger besteht, um RWE anteilig für das Flutrisiko nach deutschem Recht haftbar zu machen«, erklärte Roda Verheyen, die Anwältin von Lliuya. Wenn das Gericht dies feststellt, wird das Verfahren nach dem zweiten Verhandlungstag fortgeführt. Dann würde es um die Frage gehen, inwieweit die CO2-Emissionen von RWE zu diesem Risiko beigetragen haben.

Für die Wissenschaft sei der Sachstand eindeutig, so die Anwältin. Eine Studie von US-Klimaforschern, die 2021 im Fachmagazin »Nature Geoscience« erschienen ist, sieht den Einfluss des Menschen für den Klimawandel in dieser Andenregion bei über 85 Prozent. Zu mehr als 99 Prozent sei sicher, dass sich der Rückzug des Gletschers, der zu dem Flutrisiko an der dortigen Lagune führt, nicht allein mit natürlichen Veränderungen erklären lasse. RWE dagegen ist einer der klimaschädlichsten Konzerne Europas. Sein Wirken habe zweifellos weltweite Auswirkungen, erläuterte die Anwältin Verheyen vor vier Jahren in einem »nd«-Interview. Ein direkter Bezug lasse sich einfacher nachweisen als bei einem peruanischen Kraftwerk.

Auch der Kläger Lliuya wird zu dem Gerichtstermin nach Deutschland kommen. Lange habe er auf diesen Termin gewartet und hoffe jetzt darauf, dass das Gericht »das Flutrisiko und die Auswirkungen des Klimawandels auf meine Familie anerkennen und dann den nächsten Schritt einleiten, um die Verantwortung von RWE im Detail zu klären«, erläuterte er in einer Mitteilung. Lliuya möchte erreichen, dass RWE gemäß seines Anteils am menschengemachten Klimawandel für Schutzmaßnahmen am Gletschersee Palcacocha aufkommt.

Der gemeinnützige Verein Germanwatch unterstützt die Klage des Bergführers und hofft, dass mit einer Verurteilung von RWE ein Präzedenzfall geschaffen wird. Der Druck auf die großen Unternehmen der Kohle-, Öl- und Gasbranche müsse wachsen, sagt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Sie sollen ihr Geschäftsmodell ändern. Dieser Fall habe bereits gezeigt, »dass fossile Konzerne bisher nicht kenntlich gemachte Risiken in ihren Büchern haben – nämlich die Rechte der von den Folgen ihrer Geschäfte Betroffenen weltweit. Es ist nun höchste Zeit, dass Staaten die großen Verursacher zur Verantwortung für die von ihnen angerichteten Schäden ziehen. Das sollte nicht einzelnen Klagen überlassen werden.«

Klimawandel – Ein Bergführer gegen RWE
Klimawandel – Ein Bergführer gegen RWE

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