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Gewässerschutz in Berlin: Mehr Dreck aus dem Abwasser holen
Das Klärwerk Waßmannsdorf wurde für 300 Millionen Euro aufgerüstet und ist trotzdem nicht fertig
Die Flockungsfiltration im Klärwerk Waßmannsdorf ist brandneu. Kurz bevor das Wasser hinaus in den Teltowkanal fließt, werden durch Sandfilter rötliche Flocken aus dem Wasser entfernt. Metallsalze führen zu Verbindungen mit dem Phosphor, das die vorhergehende Reinigung im Wasser überstanden hat. In seiner neuen Flockenform kann der Nährstoff nun nicht mehr entkommen. Er wird aus dem gereinigten Abwasser herausgeholt, um die Sauberkeit der Gewässer zu verbessern.
Die Berliner Wasserbetriebe haben die Flockungsfiltration zusammen mit weiteren Klärbecken, einem Mischwasserspeicher und einer Stickstoff entfernenden Prozesswasseranlage eingebaut. Am Montagmorgen stellten sie den Abschluss der Baumaßnahmen in Waßmannsdorf vor.
»Das war ein längeres Projekt, 2017 ist es hier losgegangen«, sagt Frank Bruckmann, Vorstand der Wasserbetriebe. In Waßmanndorf werde das Abwasser von rund 1,2 Millionen Berliner*innen und 120 000 Brandenburger*innen gereinigt – nach dem Ausbau sind es nun 230 000 Kubikmeter Wasser am Tag. Das ist ein Drittel des Berliner Abwassers, um den Rest kümmern sich die fünf anderen Klärwerke der Wasserbetriebe. »Wir sind im Zeitplan und im Kostenplan geblieben, das ist ja auch nicht selbstverständlich«, sagt Bruckmann auf dem Gelände des Klärwerks in Sichtweite des Flughafens BER. »Darauf sind wir auch ganz stolz.«
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Das Klärwerk südöstlich von Berlin bietet viel Platz für die Anlagen. Über 1,9 Millionen Quadratmeter Fläche stehen zur Verfügung, sagt Klärwerksleiter Michael Kempf. Auf einem der Faultürme in 35 Metern Höhe hat man einen guten Blick über die Anlage. In den Türmen wird der Schlamm aus den Klärbecken verfault, dabei entsteht Gas, das 80 Prozent des Energiebedarfs des Klärwerks abdeckt.
Vom Faulturm aus ist eine große rechteckige Halle zu sehen – der neue Mischwasserspeicher. Auch er trägt zur Sauberkeit der Berliner Gewässer bei. Denn wenn bei Starkregen die Berliner Mischwasserkanalisation überlastet ist, weil nicht das ganze Wasser direkt in die Kläranlagen geleitet werden kann, dann wird es ohne Reinigung in Spree, Landwehrkanal und Panke abgeleitet. Der neue »Wasserparkplatz«, wie Klärwerksleiter Kempf den riesigen Behälter nennt, verhindert das im Rahmen seiner Kapazitäten. 50 000 Kubikmeter Wasser, oder laut Kempf 380 000 Badewannen, können hier zwischengelagert und dann im Klärwerk gereinigt werden, sobald dort wieder Platz für neues Dreckwasser ist. Solche Staubehälter wurden ebenfalls bereits in anderen Orten in Berlin errichtet, um insgesamt 300 000 Kubikmeter Mischwasser aufzufangen und damit die Überläufe aus der Kanalisation in die Gewässer zu halbieren.
»Hier wird ständig gerührt, belüftet und durchgemischt – wie ein großer Eintopf.«
Stephan Natz Berliner Wasserbetriebe
Um weiterhin die Gewässerqualität zu verbessern, gibt es nun in Waßmannsdorf auch eine Prozesswasseranlage. In einem Gebäude voller Maschinen und Rohre wird durch Bakterien, in diesem Fall Planktomyceten, der Stickstoff in dem Teil des Wassers entfernt, der durch die Entwässerung des Klärschlamms anfällt.
Um nicht nur den Ansprüchen an die Gewässersauberkeit gerecht zu werden, sondern auch den Versorgungsansprüchen der wachsenden Bevölkerung im Einzugsgebiet des Klärwerks, haben die Wasserbetriebe zwei zusätzliche Klärbecken-Linien ihren bisherigen acht hinzugefügt und damit die tägliche Reinigungskapazität um 50 000 Kubikmeter Wasser erhöht. In den Klärbecken verspeisen über 200 Arten von Mikroorganismen über 16 bis 18 Stunden hinweg den Dreck im Wasser. Dabei entsteht der Klärschlamm, der dann verfault wird. »Hier wird ständig gerührt, belüftet und durchgemischt – wie ein großer Eintopf«, sagt Wasserbetriebe-Sprecher Stephan Natz.
Die Wasserbetriebe verkünden zwar den Abschluss der Um- und Ausbaumaßnahmen in Waßmannsdorf, aber damit ist nur eines der Inevstitionsprogramme gemeint. Denn Baustelle ist hier immer noch. Zum Beispiel soll bis 2026 eine neue »Klärschlammverwertungsanlage« entstehen, um den Klärschlamm zu verbrennen und so nutzbar zu machen. Außerdem erwarten die Wasserbetriebe weitere Anforderungen an die Reinigung des Abwassers, zum Beispiel eine Anlage zur Spurenstoff-Entfernung, etwa durch Ozonung. Eine solche ist bereits im Klärwerk Schönerlinde in Bau, planmäßig bis 2040 sollen alle Berliner Klärwerke Spurenstoffe entfernen können. Der Ausbau mit Flockungsfiltrationen, in Waßmannsdorf bereits abgeschlossen, soll bis 2028 in allen Klärwerken geschehen sein.
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