Neoliberalismus, Faschismus und Männlichkeit gehen Hand in Hand

Veronika Kracher plädiert für mehr Empathie in der politischen Auseinandersetzung. Eine Haltung, die vielen Männern fremd ist

Elon Musk (l.) und Donald Trump
Elon Musk (l.) und Donald Trump

Empathie ist die fundamentale Schwäche der westlichen Welt und wird zwangsläufig zu ihrem Untergang führen. Denn es gibt Menschen, die Empathie ausnutzen, um so eine Gesellschaft grundlegend zu ruinieren. Das zumindest behauptet jener Mann, der seine Midlife-Krise zum Problem der ganzen Welt auserkoren hat und gerade mit der Hilfe von ein paar Incel-Handlangern den kompletten US-amerikanischen Sozialstaat und die Zivilgesellschaft ausweidet wie eine Weihnachtsgans an Heiligabend.

Mit Bezug auf den kanadischen Wissenschaftler Gad Saad erklärte Elon Musk in dem Podcast des rechtslibertären Meinungsmachers Joe Rogan, dass wir die westliche Zivilisation gerade aufgrund unserer Empathie »in den Suizid« trieben. Damit offenbart er, vielleicht ohne es zu wissen, das kalte, leblose Herz des Todeskults Spätkapitalismus. Empathie – und damit die Grundvoraussetzung für Solidarität – muss ausgemerzt und vernichtet werden, da sie dem ungebremsten und auf skrupellose Ausbeutung basierenden Fortschritt dieses Systems nur im Weg steht. Diese Worte zeigen deutlich, wie eng Neoliberalismus, Faschismus und Männlichkeit miteinander verwoben sind. Und an Musk, der sich gerade alle Mühe gibt, den klischeehaftesten aller James-Bond-Bösewichte zu verkörpern, manifestiert sich dies besonders.

Zum Thema: Musk, Zuckerberg, Trump: Digitaler Staatsstreich – Anne Roth über die wachsende Macht der Tech-Monopole unter Donald Trump

Kapitalismus ist sowohl ideologisch als auch ökonomisch ein patriarchal strukturiertes System. Bereits im 19. Jahrhundert entwickelten Wissenschaftler, Philosophen und Politiker das Konzept des »Geschlechtscharakters«, um Frauen davon abzuhalten, Universität zu besuchen oder einer Berufstätigkeit nachzugehen. Dafür seien die Weiber von Natur aus zu emotional und zart besaitet, so das Motto. Um in dieser harten Welt reüssieren zu können, bedarf es eben Härte und Kaltschnäuzigkeit. Demzufolge sollte die von Natur aus warmherzige und gutmütige Frau doch lieber zuhause bleiben und Ehemann und Kinder an ihrer mütterlichen Fürsorge teilhaben lassen.

Frauen war sowieso der Zugang zu Produktionsmitteln verwehrt: Kapitalismus ist aus dem ebenfalls patriarchalen Feudalismus entwachsen. Männer hatten sich im Zuge bürgerlicher Revolutionen den Zustand als Citoyen erkämpft; Frauen wurde er durch Gewalt und Repressionen weiter vorenthalten. Irgendjemand muss ja zuhause bleiben und weiter unbezahlte Hausarbeit machen.

Veronika Kracher

Veronika Kracher, geboren 1990, hat Soziologie und Literatur studiert und ist seit 2015 regelmäßig als Autorin und Referentin mit den Arbeitsschwerpunkten Antifeminismus, Rechtsextremismus und Online-Radikalisierung tätig. Zudem ist sie Expertin für belastende Männer im Internet. Für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Jenseits des Patriarchats«.

Kurz: Kapitalismus ist männlich, daran ändern auch ein paar Girlboss-CEOs nichts. Politische Organisation, die auf weiblich konnotierten Werten wie Empathie und Solidarität basiert – Feminismus, Flüchtlingshilfe, Gewerkschaftsarbeit, die Kämpfe für Kranke, Behinderte und Obdachlose –, stellen jedoch eine grundlegende Gefahr für dieses auf Gewalt gegen sich selbst und andere basierenden Systems dar.

Wir haben historisch und aktuell genug Fälle, in denen Faschismus und Kapitalismus einträchtig Hand in Hand gehen. Gerade sehen wir es auf der politischen Bühne (Donald Trump in den USA, Javier Milei in Argentinien). Männlichkeitsinszenierungen spielen hier immer eine grundlegende Rolle.

Doch auch neben der politischen Bühne wird das Problem sichtbar. Finanzcoaches wie Karl Ess und Hoss & Hopf erklären ihren oft minderjährigen Fans nicht nur, wie sie in wie Krypto-Währungen investieren können, sondern auch, wie sie hegemoniale – also sexuell und finanziell erfolgreiche – Alpha-Männlichkeit performen. Der »echte Mann« ist ein knallharter, autonomer Macher, der sich nicht von so Lächerlichkeiten wie Gefühlen und Empathie in seinem Streben nach Grandeur zurückhalten lässt und der Beziehungen nur rein instrumentell denkt. Eigenschaften, die der kapitalistischen Verwertungslogik entgegen stehen und als unmännlich gelten, werden deshalb sowohl in Bezug auf die eigene Männlichkeitsinszenierung als auch in Bezug auf ihre gesellschaftliche Funktion systematisch abgewertet – genauso wie Tätigkeiten, die diese Fähigkeiten abverlangen (Erziehung und Pflege zum Beispiel).

Der Hass auf alles Weibliche ist gerade dem libertären Kapitalismus immanent – und hier beginnt der fließende Übergang in den Faschismus. Das zeigt sich deutlich in den gemeinsamen Feindbildern. In einem Vortrag spricht es der »Serienunternehmer« Karl Ess, der für »Make Germany Great Again« plädiert, noch einmal deutlich aus: Feminismus schwächt die deutsche Wirtschaft – der neoliberale Stellvertreter für den Volkskörper. Und nicht nur das: Alles, was »woke« ist, auch. Arbeitskämpfe ebenfalls. Ebenso wie der Sozialstaat und all jene, die ihn benötigen.

Der Hass auf die Abhängigkeit sozialer Institutionen basiert auf der sehr männlichen Wunschvorstellung absoluter Autonomie, die so jedoch niemals gegeben sein kann. Gerade im Antikommunismus finden Faschismus und Kapitalismus immer wieder zusammen. Vor allem der jüdisch konnotierte »Kulturmarxismus« wird als Wurzel aller progressiven modernen Kämpfe begriffen, die gerade so vehement von Faschisten in den Parlamenten, auf der Straße und im Internet bekriegt werden.

Wir als radikale Linke müssen die Empathie hochhalten. Wir dürfen nicht – wie ich es oft in linken Online-Diskursen sehe – dem Autoritarismus, dem Zynismus und der emotionalen Verrohung verfallen. Denn Empathie ist ein grundlegender Teil von Antifaschismus und Solidarität. In Zeiten sozialer Kälte ist Empathie nichts anderes als ein subversiver Akt.

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