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Binge den Barden!

Elisabeth Bronfen entlarvt Shakespeare als Wiederholungstäter

Genosse Shakespeare – Binge den Barden!

Es ist ein weitverbreitetes Klischee des zeitgenössischen Theaters: Auf der Bühne werden die Klassiker genüsslich auseinandergenommen, ohne dass der arme Zuschauer in jedem Fall informiert würde, wo die einzelnen Teile denn eigentlich hingehören. Inszenierung für Inszenierung wird weiter daran geschraubt. Das geht dergestalt schon so lange, dass sich kaum noch jemand an den Urzustand erinnern mag. Und das Gemeine an Klischees wie diesem ist Folgendes: Völlig frei erfunden sind sie selten.

Eine ganz andere Art der Dekonstruktion, als wir sie von Theatern gewöhnt sind, nimmt die Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen in ihrem jüngst erschienenen Buch »Shakespeare und seine seriellen Motive« vor. Das liegt allein schon daran, dass Bronfen den Konstruktionsplan – soll heißen: die Werke des Genossen Shakespeare – bestens kennt. Und nachdem sie alles gekonnt auseinandergenommen hat, setzt sie es sogar mit viel Verve erneut zusammen. Zurück bleibt eine verblüffte, aufgeklärte Leserschaft.

Bronfen stößt bei dem Theaterautor auf einen »Wiederholungszwang als dramaturgisches Prinzip«. Shakespeare schreibe, so ihre unkonventionelle These, seine Stücke immer wieder neu, widme sich einem Motiv ein ums andere Mal, variiere es dabei aber und betrachte es aus unterschiedlichen Perspektiven.

Als »das definitive Buch über Shakespeare« bewirbt der Verlag etwas marktschreierisch die Publikation. Dabei geht es der Autorin gerade nicht um irgendetwas Definitives. Mit ihrer Lesart zeigt sie beispielhaft Verbindungen im Werk Shakespeares auf und macht seine Aktualität begreifbar. Die von ihr herausgegriffenen seriell betrachteten Motive sind Vorschläge, ihr Lektüreverfahren dient als Modell, ihre Arbeit ist mit dem Buch, wie sie sagt, nicht abgeschlossen.

Genosse Shakespeare

Wie es euch gefällt: Alle zwei Wochen schreibt Erik Zielke über große Tragödien, politisches Schmierentheater und die Narren aus Vergangenheit und Gegenwart. Inspiration findet er bei seinem Genossen aus Stratford-upon-Avon.

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So betrachtet sie eingangs etwa die Shakespeare’schen Traum- und Geisterwelten – und schlägt dabei Bögen von der traumverhüllt karnevalesken (und im englischen Original titelgebenden) »zwölften Nacht« in »Was ihr wollt« zum »Sommernachtstraum«, von dort zum Liebestraum in »Romeo und Julia« und weiter zum düster prophetischen Traum in »Othello«, mit Seitenblicken auf »Julius Caesar« und »Der Sturm«, schließlich zum halluzinierenden Macbeth und gespenstischen Auftritten in »Richard III.« und »Hamlet«. Am liebsten will man sogleich den Shakespeare nachlesend zur Hand nehmen.

Bronfen hatte bereits zu früherer Zeit auf das Nachleben des Genossen Shakespeare in Hollywood verwiesen und Parallelen zwischen »Macbeth« und der Polit-Fernsehserie »House of Cards«, zwischen den Shakespeare’schen Historiendramen und »The Wire« ausgemacht. Ihr neuestes Buch ist nicht nur eine instruktive, wenngleich voraussetzungsreiche, Lektüre, sondern eine Einladung, sich Shakespeare so zu widmen, wie man es mit einer Serie, vielleicht dem Volkstheater unserer Tage, auch tun würde: indem man ihn bingt!

Elisabeth Bronfen: Shakespeare und seine seriellen Motive. S. Fischer, 400 S., geb., 29 €.

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