Sparen für die Kriegstüchtigkeit

Austerität für einige: Angesichts der neuen Rüstungsmilliarden wird die Bevölkerung behutsam auf Verzicht eingestimmt

Tödlich und lukrativ: Wuchtgeschosse von Rheinmetall bei der MSPO Waffenmesse, Kielce, Polen
Tödlich und lukrativ: Wuchtgeschosse von Rheinmetall bei der MSPO Waffenmesse, Kielce, Polen

Der Bundesrat hat es beschlossen, damit sind alle Hürden genommen: Die Schuldenbremse wird gelockert, die Bundesländer können künftig wieder ein bisschen Schulden machen, und ein Sondervermögen Infrastruktur wird aufgelegt. Hunderte von Milliarden stehen künftig zur Verfügung – doch die »Zeiten des Paradieses sind vorbei«, so der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Denn erlaubt werden neue Staatskredite vor allem für Aufrüstung, die der Konjunktur kaum nutzt, gleichzeitig aber die Schulden in die Höhe treibt, weswegen nun Verzicht ansteht. Hieß es früher, die Schuldenbremse erzwinge Sparsamkeit, so soll jetzt die Reform der Schuldenbremse Einsparungen rechtfertigen.

Die Commerzbank prognostiziert, dass sich Deutschlands kreditfinanzierte Ausgaben für Verteidigung – dazu gehören auch Gelder für Nachrichtendienste, Zivilschutz für den Kriegsfall und Ukraine-Hilfen – in den nächsten zwölf Jahren um 750 Milliarden Euro erhöhen werden. Plus dem Infrastruktur-Sondervermögen von 500 Milliarden und dem zusätzlichen Verschuldungsspielraum für die Bundesländer ergebe sich eine Summe von rund 1500 Milliarden Euro neuer Schulden. »Wer auch immer die neue Regierung stellt, fiskalischer Spielraum ist jetzt gegeben«, erklärt die niederländische Großbank ING.

Damit die neuen Schulden nicht Deutschlands Kreditwürdigkeit an den Finanzmärkten beschädigen, wird jetzt allerdings zusätzliches Wirtschaftswachstum gefordert. Das bringen die Rüstungsausgaben voraussichtlich nicht her, sie sind tendenziell unproduktiv und sorgen höchstens für einen vorübergehenden Wachstumsimpuls. Daher liegen alle Hoffnungen auf dem Infrastruktur-Sondervermögen. »Richtig umgesetzt, sollten die Investitionen in die Infrastruktur zumindest zu einem konjunkturellen Aufschwung führen«, so ING. Laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) führt die Ausweitung der öffentlichen Investitionen um 500 Milliarden Euro zu einer Erhöhung der Wirtschaftsleistung um durchschnittlich mehr als zwei Prozent auf Sicht der kommenden zehn Jahre. Das ist optimistisch gedacht, die Berenberg Bank rechnet nur mit einem Zusatzwachstum von 0,3 Prozent.

Ökonom*innen warnen, dass neue Schulden allein das Wachstum nicht bewirken, das sie gleichzeitig nötig machen.

Kurzfristig nützen die staatlichen Ausgaben der Konjunktur ohnehin wenig. Laut Prognosen von Wirtschaftsforschungsinstituten wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) dieses Jahr eher stagnieren – belastet insbesondere vom globalen Nachfragemangel und dem US-Handelskrieg. Auch der private Konsum entwickle sich »schwächer als erwartet«, so das DIW. Frühestens nächstes Jahr könnten die staatlichen Ausgaben das BIP anschieben. Die erwarteten Wachstumsraten für 2026 und 2027 liegen jetzt bei 1,2 bis 1,5 Prozent, die Deutsche Bank erwartet nun für das übernächste Jahr sogar 2,0 Prozent.

Allerdings warnen Ökonom*innen davor, dass neue Schulden allein das Wachstum auf Dauer nicht bewirken, das sie gleichzeitig nötig machen. »So beeindruckend das Volumen sein mag, es trägt nur sehr wenig zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft bei«, so ING. Gefordert wird daher, die nächste Regierung müsse zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit umfangreiche »Strukturreformen« beschließen. Darunter verstehen Ökonom*innen zum einen Fachkräftesicherung, Kapitalsteuersenkungen und einen Abbau von »Bürokratie« – zumeist Regelungen zum Verbraucher-, Umwelt- und Arbeitsschutz.

Zum anderen gerät der Sozialstaat ins Visier. Die Senkung der Steuern für Unternehmen müsse durch »Instrumente zur Stärkung der Angebotsseite flankiert werden – dazu gehören auch Maßnahmen, die zur Stabilisierung der Arbeitskosten beitragen, die im internationalen Wettbewerb von zentraler Bedeutung sind«, so das arbeitgeberfinanzierte Institut IW. »Latent steigende Sozialabgaben drohen sich zu einer Investitionshypothek auszuwachsen. Denn sie führen zu steigenden Arbeitskosten.«

Gespart werden soll nun erstens, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen stärken. Zweitens machen Löcher im kommenden Haushalt Einsparungen nötig: »Wir erwarten harte Verhandlungen mit möglichen Spannungen darüber, wo die Staatsausgaben gekürzt werden sollen«, so ING. Die CDU/CSU werde auf strengere Sparmaßnahmen drängen als ursprünglich im Entwurf vorgesehen. »Wir haben noch sehr schwere Gespräche vor uns«, sagte Merz kürzlich. »Die Zeiten des Paradieses, wo jeder Wunsch möglich ist, sind vorbei.« Das »Paradies«, das waren die vergangenen Jahre.

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Drittens schließlich sollen Staatsausgaben gekürzt werden, um den Spardruck auf die anderen EU-Länder aufrechtzuerhalten: »Wenn die neue Bundesregierung nicht mit zusätzlichen Strukturreformen und längerfristigen Sparmaßnahmen aufwartet, dann wird es Deutschland schwer haben, den Rest Europas zu überzeugen, den Gürtel enger zu schnallen«, schreibt ING. Verschiedene Vorschläge liegen bereits vor – von der Abschaffung des Elterngeldes oder eines Feiertages bis zu einem höheren Renteneintrittsalter.

Mit den neuen Schuldenmilliarden »gehört die Austerität in jedem Fall der Vergangenheit an, da der Finanzierungsbedarf in den kommenden zwölf Jahren um viele hundert Milliarden Euro steigen wird«, frohlockt zwar die Commerzbank. Doch gute Zeiten brechen nur für Bau- und Rüstungsindustrie an – und für Finanzinvestor*innen. Schließlich dürfte sich das Volumen ausstehender Bundesanleihen in den nächsten Jahren verdoppeln, gleichzeitig bringen diese Wertpapiere den Anleger*innen mehr: »Wir erwarten, dass die Renditen auf zehnjährige Bundesanleihen bis Jahresende auf über drei Prozent steigen«, so die Commerzbank.

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