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Im Ansatz übermütig: Julian Nagelsmann und das DFB-Team
Der Bundestrainer und seine Fußballer sollten den Sieg gegen Italien nicht überbewerten
Erleichterung, Freude und Genugtuung – das Spiel gegen Italien produzierte viele Gefühle bei den deutschen Fußballern. Mit einem Erfolgserlebnis in ein neues Länderspieljahr zu starten, ist nie verkehrt. Und das 2:1 vom Donnerstagabend in Mailand ist durchaus viel wert, vor allem für die weitere Stärkung des Selbstbewusstseins der DFB-Auswahl. Denn Bundestrainer Julian Nagelsmann will ja nach dem ersten Schritt mit der erstaunlich gut gespielten Europameisterschaft im vergangenen Sommer jetzt »auch den zweiten und dritten Schritt machen«.
Dritter Sieg in fast 100 Jahren
Warum Italien ein deutscher Angstgegner ist, zeigt die Bilanz: Dem nunmehr zehnten Sieg stehen weiterhin 15 Niederlagen gegenüber. Noch größer war die Freude von Nagelsmann und seinen Fußballern beim Blick auf eine andere Statistik: Der bis dato letzte Sieg in Italien war einem DFB-Team im Jahr 1986 gelungen, der erste 1929. Die Tore von Tim Kleindienst und Leon Goretzka besorgten nun im 14. Auswärtsspiel den erst dritten Sieg. Es wurde also einiges geleistet im Giuseppe-Meazza-Stadion. Und das mit einer stark geschwächten Mannschaft, die vor allem das Fehlen von Florian Wirtz und Kai Havertz kompensieren musste.
Weil zu einem Fußballspiel aber immer zwei Teams gehören, sollte dieser Erfolg nicht überbewertet werden. Die italienische Mannschaft befindet sich noch immer im Umbruch. So brachte beispielsweise DFB-Kapitän Joshua Kimmich mit seinen 98 Länderspielen mehr Erfahrung auf den Platz als die Hälfte der gesamten gegnerischen Startelf. Fakt ist auch: Dem großen Namen im Weltfußball wird Italien fußballerisch gerade nicht gerecht. Exemplarisch steht dafür das enttäuschende Ausscheiden im Achtelfinale der EM gegen die Schweiz. Das einzig wirklich überzeugende von 14 Länderspielen im vergangenen Jahr war der 3:1-Sieg gegen Frankreich zum Gruppenauftakt in der Nations League. Doch wie Italien selbst haben auch die Franzosen gerade Probleme, die im Gruppenspiel ebenfalls besiegten Belgier erst recht.
Verbalter Übermut
Als »ganz runde Geschichte« beschrieb Goretzka das Spiel in Mailand. Klar, nach 16 Monaten genoss er sein Coemback im DFB-Team. Nagelsmann hatte ihn aussortiert – und jetzt, nach verbesserten Leistungen beim FC Bayern, wieder zurückgeholt. Der Mittelfeldspieler rechtfertigte das Vertrauen vor allem mit dem Siegtreffer in der 76. Minute, war davor auch schon ein paarmal gefährlich vor dem gegnerischen Tot aufgetaucht und fiel ansonsten nicht negativ auf. Doch im Übermut seiner Genugtuung schoss der 30-Jährige später verbal über das Ziel hinaus. Die erste Halbzeit fand Goretzka »nicht so schlecht. Da waren wir auch schon die bessere Mannschaft«.
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Vielleicht hat Goretzka es auf dem Platz anders gefühlt, verklärt hat er das Bild dennoch. Eine limitierte italienische Mannschaft führte zur Halbzeit durch den Treffer nach neun Minuten von Sandro Tonali absolut verdient: Einerseits war sie dem 2:0 sehr viel näher als die DFB-Elf dem Ausgleich, weil sie eben andererseits in der Abwehr sehr souverän agierte. Insofern zeigte sich später auch Bundestrainer Nagelsmann im Ansatz übermütig, als er den großen Einfluss von Goretzka auf das Spiel lobte.
Schwaches Zentrum
Tatsächlich führten die kaum vorhandenen offensiven Impulse durch das defensive Mittelfeldpaar Goretzka und Pascal Groß dazu, dass Jamal Musiala sich zu oft den Ball tief in der eigenen Hälfte holen musste. So war er mehr mit dem frühen Spielaufbau beschäftigt und fehlte dadurch mit seiner Torgefahr als Passgeber und Vollstrecker in der Offensive. Und bei der Abwehrarbeit bot das defensive deutsche Mittelfeldzentrum dem Gegner nicht selten mehr Platz als erlaubt: Nach dem schnellen Ausgleich durch Tim Kleindienst vier Minuten nach Wiederanpfiff hatten die Italiener mehrfach die Chance, wieder in Führung zu gehen.
Eine Entwicklung beinhaltet auch Rückschläge. Kein perfektes Spiel, am Jahresanfang mit wenig Vorbereitung – vollkommen ok. Und mit der Erkenntnis der Partie von Mailand haben vorher eh schon viele gerechnet: Das schöne, schnelle, dominante und begeisternde Spiel ist ohne Wirtz und Havertz in der offensiven Dreierreihe und einigen anderen fehlenden Akteuren nicht auf den Platz zu bringen. Deshalb sollte trotz des Sieges weder die mannschaftliche Leistung noch die einzelner Spieler zu schöngeredet werden. Dafür sollte das wirklich Gelungene in den Vordergrund gestellt werden: Das DFB-Team hat gegen Italien einen Rückstand gedreht. Dies gelang auch, weil nach einer schlechteren ersten Halbzeit Korrekturen des Bundestrainers Wirkung zeigten. Und so kann das DFB-Team im Rückspiel an diesem Sonntag in Dortmund ein weiteres Stück vom »zweiten Schritt« machen. Der führt laut Nagelsmann zum Sieg in der Nations League. Und der dritte dann zum WM-Titel.
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