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Keine Ruhe für das Schwarze Meer
Statt am Waffenstillstand zu arbeiten, werfen sich Russland und die Ukraine gegenseitig vor, eine Lösung zu blockieren
Nach dem Gesprächsmarathon vom Montag haben sich Russland und die Ukraine unter US-Vermittlung grundsätzlich zur Sicherheit der zivilen Schifffahrt auf dem Schwarzen Meer bekannt. Unklar ist allerdings, wie beide Seiten die Vereinbarung umsetzen wollen.
Vor allem Russland knüpft seine Einhaltung an Bedingungen. Die seien dieselben wie schon 2023 bezüglich des Getreideabkommens, das Moskau damals auslaufen ließ, nachdem es seine Bedingungen nicht erfüllt gesehen hatte. Konkret geht es um die Aufhebung bestimmter Sanktionen gegen Banken, wie der Swift-Ausschluss, um die Abfertigung in Häfen sowie den Getreideexport generell. Erst dann werde man die Angriffe einstellen. Aus der EU hieß es umgehend, dass man die Sanktionen gegen Banken nicht aufheben werde.
Trump: Russland verzögert die Verhandlungen
Im Klartext bedeutet dies, dass die Waffen trotz der generellen Zusagen nicht schweigen werden. Das scheint auch US-Präsident Donald Trump allmählich klar zu werden. Dem US-Fernsehsender Newsmax sagte er, er halte es für möglich, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die laufenden Bemühungen um eine Waffenruhe gezielt herauszögere. Zugleich betonte Trump, er sei sich sicher, dass sowohl die russische als auch die ukrainische Führung den Krieg beenden wollten.
Damit wiederholt sich das Schicksal des vereinbarten Verzichts auf den Beschuss von Infrastruktur. Der Kreml behauptet, seit dem 18. März keine ukrainische Infrastruktur mehr zu beschießen. Kiew hingegen spricht von mindestens acht Energieobjekten, die Russland seitdem angegriffen habe. Zeitgleich wirft Moskau der Ukraine vor, russische Energieinfrastruktur weiter zu bombardieren.
Gegenseitige Schuldzuweisungen aus Moskau und Kiew
Von den großen Ankündigungen sind einzig gegenseitige Schuldzuweisungen geblieben. Russlands Verteidigungsministerium wirft der Ukraine vor, alles zu tun, um die russisch-US-amerikanischen Absprachen zu torpedieren. Und aus dem ukrainischen Präsidentenpalast heißt es, Moskau zögere den Friedensprozess hinaus und spiele auf Zeit.
Zeit ist jedoch genau das, was die Ukraine nicht hat. Im »Time«-Magazin drängte Selenskyj auf einen schnellen Frieden nach dem Waffenstillstand. Das »Fenster der Möglichkeiten« bezifferte der ukrainische Präsident auf zwei bis drei Monate. Andernfalls sinke die Moral der mittlerweile 800 000 Mann starken Armee, und das Land werde von innen destabilisiert. Das Einfrieren des Krieges könnte für die Ukraine ruinöse Folgen haben, sagte Selenskyj, auch weil dringend benötigte Reformen nicht umgesetzt werden können. Ein eingefrorener Konflikt würde zudem die ukrainischen Behörden bloßstellen und möglicherweise zu einem Kontrollverlust führen.
Ukraine will keine Blauhelmsoldaten
Ungeklärt ist weiterhin, wie eine Waffenruhe und ein möglicher Frieden gesichert werden können. Einem Bericht der italienischen Tageszeitung »La Repubblica« zufolge werden momentan zwei mögliche Pläne für Friedenstruppen diskutiert. Demnach könnten Soldaten aus Asien und Südamerika unter Ägide der Vereinten Nationen die Frontlinie bewachen und Militärs aus westlichen Ländern an der ukrainischen Grenze zur EU stationiert werden. Die USA wiederum würden die Waffenruhe aus der Luft und per Satellit kontrollieren.
In Kiew stoßen solche Pläne auf wenig Gegenliebe. Erst vor wenigen Tagen hatte Selenskyj sich gegen UN-Friedenstruppen ausgesprochen, weil diese seiner Meinung nach die Ukraine nicht schützen können. Zudem hätten die USA bisher nicht erklärt, was bei einer Verletzung der Waffenruhe geschehe, legte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Mittwoch nach.
Bis die Waffen endlich schweigen, versuchen beide Seiten an der Front Vorteile zu erkämpfen. Ukrainischen Quellen zufolge wird Armeechef Oleksandr Syrskyj gedrängt, eine ähnlich erfolgreiche Operation wie den Einmarsch ins russische Gebiet Kursk zu starten. Die erwies sich jedoch als verlustreich. Lediglich einige Stellungen soll die Ukraine noch halten.
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