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Nach gescheiterter Betriebsratswahl: 80.000 Euro für Frieden
Jobcenter-Maßnahmeträger bezahlt für Kündigung von Betriebsratsinitiator hohe Abfindung
Sämtlichen Initiator*innen einer Betriebsratswahl beim Jobcenter-Maßnahmeträger Digital Career Intitute (DCI) wurde vergangenen Sommer gekündigt. Zuvor war eine Betriebsversammlung, auf der ein Wahlvorstand bestimmt werden sollte, abgebrochen worden. Nun hat erneut einer der Gekündigten vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich geschlossen.
Rund 80.000 Euro wird das DCI für die Beendigung dieses einen Verfahrens bezahlen. Das sagte die Anwältin des DCI nach der Verhandlung zu »nd«. Dieses Vergleichsangebot, das die Nachzahlung des Gehalts und eine Abfindung von 35.000 Euro beinhaltet, hatte das Gericht den beiden Parteien vorgeschlagen.
Das DCI bietet Weiterbildungskurse etwa zu diversen Programmiersprachen und Softwareentwicklung an. Mehr als 3000 Studierende nehmen derzeit an über 100 Online-Kursen teil. Der gekündigte Lehrer hatte erst zwei Jahre auf Honorarbasis, dann festangestellt für das DCI gearbeitet. Die Abfindung, die das Gericht vorschlug, sei höher als üblich, weil sie »das Risiko deutlich auf der Beklagtenseite« sehe, erklärte die Richterin. Sprich: Dass die Kündigung im Falle eines Urteils Bestand gehabt hätte, sei nicht zu erwarten gewesen.
Dem ehemaligen Lehrer und den drei anderen Mitinitiator*innen war außerordentlich und fristlos gekündigt worden. Das DCI begründete das unter anderem damit, dass der Gekündigte seine Pflicht verletzt und den Betriebsfrieden gestört habe. Die Richterin sah das als nicht ausreichend mit Argumenten unterfüttert an. Genauso auch den Vorwurf, der Kläger habe sich strafbar gemacht, da er selbst durch sein Verhalten die Wahl zum Betriebsrat verhindert habe. Zu pauschal sei etwa die Aussage, er habe auf der Versammlung eine aggressive Grundstimmung verbreitet, in deren Folge Teilnehmer*innen rausgerannt seien, so die Richterin. Zumindest hätte er wohl erst einmal abgemahnt werden müssen.
Dem Lehrer wurde auch ordentlich gekündigt, aus betriebsbedingten Gründen. Auch diese Kündigung sei womöglich ebenfalls zu allgemein gehalten, so die Richterin. Es sei nicht ersichtlich, warum durch den Abbau des Kursangebots genau sein Arbeitsplatz weggefallen sei.
Die Anwältin des DCI sagte während der Verhandlung, sie erkenne an, dass es unter ihrem Vorgänger zu emotionalen Verwerfungen gekommen sei. Deshalb habe sie der Geschäftsführung auch geraten, etwas großzügiger als üblich vorzugehen. Das DCI hatte zuvor den berüchtigten Arbeitgeberanwalt Helmut Naujoks mit den Kündigungsverfahren beauftragt. »Die Vorwürfe stehen dennoch im Raum«, erklärte die Anwältin. Es sei scheinbar zu Tumulten gekommen, der Gekündigte habe Stimmung gemacht, Presseartikel forciert und Protest organisiert. Sogar die Weihnachtsfeier habe verschoben werden müssen.
Nach mehreren Telefonaten – die Geschäftsführung selbst war nicht erschienen – stimmte das DCI dem Vergleich zu. Auch der gekündigte Lehrer willigte am Ende trotz guter Prognose für ein Urteil zu seinen Gunsten ein. Es sei eine Frage der Abwägung gewesen, erklärte sein Anwalt »nd«. Hätte er Recht bekommen, hätte der Lehrer wieder beim DCI arbeiten müssen und wäre ohne Abfindung geblieben. Zudem hätte sich der Streit wohl noch länger gezogen. Beide Seiten hatten angekündigt, im Falle eines für sie ungünstigen Urteils in Berufung zu gehen.
Im Zusammenhang mit der geplatzten Betriebsratswahl stehen noch zwei weitere Verhandlungen aus. Ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter hat sich ebenfalls mit dem DCI verglichen.
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