Klimaaktivismus nach der Wahl: Neue Kämpfe, neue Bündnisse

Die Klimabewegung nutzte ihre jahrelange Talfahrt, um sich breiter aufzustellen

Der Klimastreik von Fridays for Future (FFF) direkt vor der Bundestagswahl brachte nicht so viele Menschen auf die Straße wie erhofft. Für den 11. April ist ein neuer FFF-Aktionstag angekündigt.
Der Klimastreik von Fridays for Future (FFF) direkt vor der Bundestagswahl brachte nicht so viele Menschen auf die Straße wie erhofft. Für den 11. April ist ein neuer FFF-Aktionstag angekündigt.

Die Rückbesinnung der Koalitionsverhandler von Union und SPD auf die Energieträger Kohle und Gas nimmt skurrile Züge an: Vergangene Woche bezeichnete selbst der Kohlegigant RWE die Pläne als »Irrweg«, alte Kohlekraftwerke aus der Reserve zu holen. Für Politikwissenschaftler Lasse Thiele steht nach einer Auswertung des aktuell bekannten Verhandlungsstands fest: »Der Auto- und Betonblock ist jetzt eindeutig und unmissverständlich wieder an der Macht«. Was für das Klima ein Fiasko ist, könnte für die Klimabewegung indes eine Chance darstellen, meint Thiele. Denn in Zukunft verliefen die Fronten wieder klarer als noch mit den Grünen in der Regierung: Team Fortschritt hier, Team Rückschritt dort. »Alles, was mit Klima zu tun hat, ist damit per se Opposition«, so Thiele.

Allerdings – auch das bemerkt der Politikwissenschaftler – hatte die Klimabewegung in den vergangenen Jahren nicht besonders viel zu melden, schaute der Politik vielmehr vom Seitenrand zu. Und: Das Spielfeld selbst hat sich verändert. Es geht nicht mehr nur darum, die globale Erwärmung zu reduzieren – längst spielt auch eine Anpassung an die Klimawandelfolgen eine wichtige Rolle.

Wie also geht es weiter mit der Klimabewegung nach der Bundestagswahl? Darüber diskutierten am Donnerstag bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung neben Thiele und dem Linke-Politiker Lorenz Gösta Beutin auch drei Aktivistinnen: Caro Weber von »Tesla den Hahn abdrehen«, Jule Fink von »Ende Gelände« und Karla von der Initiative »Soziale Wärmewende jetzt!«.

Schon die Zusammensetzung des Panels offenbart: Die jahrelange Flaute der Klimabewegung hat für eine Auffächerung gesorgt. Es gibt neue Strategien, neue Themen, neue Kämpfe.

Von Wasserkämpfen zu Anti-Musk-Protesten

Beispiel »Tesla den Hahn abdrehen«: Das Bündnis ist in Deutschland ein Vorreiter im Bereich der Ressourcenkonflikte. Gegründet hat es sich als Reaktion auf die Ansiedlung der Tesla-Gigafactory in Grünheide. Brandenburg gilt als das trockenste Bundesland Deutschlands, noch dazu wurde die Fabrik in einem Trinkwasserschutzgebiet errichtet. Bürger*innen vor Ort machten sich Sorgen, dass die Wasservorräte knapp werden könnten und dass die Fabrik das Grundwasser verschmutzen könnte. »Wir haben das Thema Wasser auf die Tagesordnung gesetzt«, erklärt Weber. Dazu habe auch eine Waldbesetzung beigetragen, die inzwischen wieder geräumt wurde.

Aktuell erfährt das Bündnis neuen Aufschwung, weil es sich an der internationalen Kampagne »Tesla Takedown« beteiligt, die sich gegen die politische Einflussnahme des Trump-Beraters und Tesla-Chefs Elon Musk richtet. Zuletzt protestieren am Samstag hunderte Menschen vor einem Showroom des Autobauers in Berlin.

Dabei ist die Kritik an Musk für das Bündnis nichts Neues, betont Weber: Umweltstandards habe das Land Brandenburg bewusst klein gehalten, um eine möglichst schnelle Ansiedlung zu ermöglichen. Auch auf die gewerkschaftsfeindliche Haltung Musks habe »Tesla den Hahn abdrehen« schon früh aufmerksam gemacht. Der Fokus auf Musk führe zwar vom Wasserthema weg, schaffe aber »organische Verbindungen« zu Internationalismus und Antifaschismus.

Die Wärmewende sozial gestalten

Für einen ganz anderen Ansatz innerhalb der Klimabewegung steht die Initiative »Soziale Wärmewende jetzt!«. Sie entstand als Reaktion auf das umstrittene Gebäudeenergiegesetz, besser bekannt als Heizungsgesetz. »Das Gesetz war von Anfang an unsozial«, sagt Aktivistin Karla. Es wälze viele Kosten der Energiewende auf Mieter ab.

Die Initiative kämpft gegen die »Ausspielung von Klima und Sozialem«. In acht Städten führten Aktivistinnen Haustürgespräche und gründete Mieter*innenzusammenschlüüsse, um sich gegen Mieterhöhungen zu wehren. Um Mieter*innen erfolgreich zu organisieren, muss man sie bei ihren eigenen Anliegen abholen, sagt Karla. Dahinter stehe auch die Idee, Menschen außerhalb der eigenen Bubble für die Klimagerechtigkeitsbewegung zu gewinnen. Die Aktivistin träumt davon, einmal auf einer Demo mit »Mieter*innenblock vors Heizkraftwerk« zu ziehen.

Noch nicht Ende Gelände

Ende Gelände ist inzwischen ein Urgestein der Klimabewegung. Fast genau ein Jahrzehnt ist es her, dass etwa tausend Aktivist*innen den Braunkohletagebau Garzweiler besetzten. Nach dem Beschluss des Kohleausstiegs 2019 wendete sich die Gruppe dem Protest gegen Gas zu, insbesondere Fracking-Gas, das als Flüssigerdgas (LNG) aus den USA nach Deutschland transportiert wird. Für Ende Gelände sei klar, dass man am Thema dran bleiben möchte, sagt Sprecherin Jule Fink. Zuletzt habe dieser Fokus die Klimabewegung zusammengeschweißt. Im Dezember etwa protestierte Ende Gelände gemeinsam mit der Letzten Generation gegen ein LNG-Lobbytreffen in Berlin.

Allerdings werde mit der zunehmenden Repression gegen Aktivist*innen auch die Unterstützung von Betroffenen immer wichtiger. Vergangenes Jahr wurde Ende Gelände vom Verfassungsschutz als linksextremer Verdachtsfall eingestuft; gegen mehrere Mitglieder der Letzten Generation wird wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt.

Dennoch bleiben Massenaktionen des zivilen Ungehorsams eine relevante Methode für die Klimagerechtigkeitsbewegung, meint Fink. Nicht zuletzt als Orte des Zusammenkommens für Aktivist*innen. In Zeiten abnehmender Mobilisierungen sehe sich Ende Gelände auch in der Rolle eines Wissensspeichers; es gehe darum, wichtige Protest-Fähigkeiten aufzubauen und zu erhalten.

Partei und Bewegung: Neue alte Freunde?

Neben dem klaren Sieg für Freunde der fossilen Energien und des Atomstroms hat die Bundestagswahl auch eine wiedererstarkte Linke zutage gefördert. Daraus könne eine neue Allianz zwischen Partei und Bewegung erwachsen, meint Lorenz Gösta Beutin, der im Bundesvorstand der Linken für Energie- und Klimapolitik zuständig ist. Von den 64 Abgeordneten der neugewählten Fraktion hätten 13 Personen den sozial-ökologischen Umbau als Schwerpunkt, so Beutin. Damit hätte die Klimabewegung wieder eine Stimme im Parlament. Allerdings: Auch die Partei Die Linke habe dazu beigetragen, den Klimawandel im Wahlkampf zu »de-thematisieren«, kritisiert Politikwissenschaftler Thiele und stößt dabei auf keine Widerrede von Beutin. Dieser sieht das starke Abschneiden seiner Partei als Vertrauensvorschuss, den sie nun rechtfertigen muss – und gleichzeitig schnell wieder verspielen kann.

Dass eine starke Linkspartei im Bundestag ein wichtiger Verbündeter sein kann – genau wie Klima-NGOs –, darüber herrscht unter allen Anwesenden Einigkeit. Doch dafür brauche es auch wieder eine stärkere Vernetzung innerhalb der Klimabewegung und darüber hinaus. Als sich die Veranstaltung dem Ende zuneigt, bemerkt Ende Gelände Aktivistin Jule Fink: »So haben wir schon lange nicht mehr zusammengesessen.« Möglicherweise treffen sich die Beteiligten in Zukunft wieder häufiger: Die Rosa-Luxemburg-Stiftung plant bereits weitere Veranstaltungen zur Zukunft der Klimabewegung.

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