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Computerspiel »Mexico, 1921«: Jeder ist verdächtig

Wer hat den Präsidenten umgebracht? Im Computerspiel »Mexico, 1921« taucht man in revolutionäre Zeiten ein

  • Ralf Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.
Hinein in den Sumpf von politischer Korruption und Verschwörung!
Hinein in den Sumpf von politischer Korruption und Verschwörung!

Mexiko im Jahre 1921. Das Land kommt nicht zur Ruhe. Erst war Revolution gegen die politisch versteinerten Verhältnisse, dann Bürgerkrieg. Seit elf Jahren arbeiten unterschiedliche oppositionelle Gruppen an der Umwälzung des mexikanischen Staates und seiner Institutionen. Präsidenten und etliche Politiker kamen und gingen. Das gesamte Land ist von Unruhen erfasst. An allen Orten finden blutige Kämpfe statt.

Die sozialrevolutionäre zapatistische Bewegung rief 1911 zur Revolution auf, da die liberalen Hoffnungsträger allesamt korrumpiert waren. Die Zapatisten stützten sich auf die Ideen der anarchistischen Magonistas, die unter der Parole »Land und Freiheit« einen indigenen Kollektivismus und libertären Sozialismus propagierten. An der Staatsspitze wechselten zwei Präsidenten und ein Diktator, während sich die Situation der Bevölkerung immer weiter verschlechterte.

In diesem politischen Umfeld waren kleinere regionale Aufstände schnell zu großen Flächenbränden angewachsen und mehrere Flächenbrände zu einer Revolution. Einer der wichtigsten Protagonisten und viel besungener Held dieser Zeit war Pancho Villa (1878–1923). Ein Guerilla-Kommandant, der auch der »mexikanische Robin Hood« genannt wurde. Er kämpfte in den mexikanischen Revolutionswirren und wurde zur Ikone erklärt, von ebenjener Regierung, die ihn vermutlich umbringen ließ.

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Von diesen turbulenten Zeiten kündet das neue Videospiel »Mexico 1921. A Deep Slumber«. Es ist eine furiose Fahrt durch eine der wichtigsten Epochen der mexikanischen Geschichte. Hierfür schlüpft man in die Rolle eines Journalisten, der die Ermordung des letzten Präsidenten untersucht. Das storygetriebene Detektivdrama kommt dabei ohne großes Gameplay daher, erinnert von der Grafik an die Spiele um die Jahrtausendwende und ist nur in spanischer und englischer Sprache erhältlich. Trotzdem ist es ein Kleinod, in Handlung und Setting von überraschender historischer Tiefe.

Die Geschichte des Protagonisten Juan Aguirre blättert sich Seite für Seite auf, wie in einem Roman. Zuerst ist er gefangen, umgeben von einer dunklen Atmosphäre, die die Nachwehen der Ermordung des Präsidenten deutlich macht. Eine Verstrickung der Cristeros – eine reaktionäre Aufstandsbewegung gegen die Beschränkungen der katholischen Kirche durch die mexikanische Verfassung von 1917 – wird gleich zu Beginn ins Spiel gebracht. Doch es bleibt bei Weitem nicht die einzige Fährte. Für das tiefere Verständnis der Ereignisse ist es hilfreich, zumindest einige Facetten der mexikanischen Geschichte zu kennen.

Die Untersuchung Aguirres, der für eine Zeitung arbeitet, die der Macht weit näher steht als der Wahrheit, führt direkt in den Sumpf von politischer Korruption und Verschwörung. Wer hat den Präsidenten beseitigt? Ob nun zwielichtige Beamte, halbseidene Gewerkschaftsbürokraten, der dubiose Zeitungsherausgeber oder die rechte Hand des Präsidenten: Jeder ist verdächtig, da alle auf die eine oder andere Art von dessen Tod profitieren. Aufgabe für den Spieler ist es nun, herauszufinden und – weitaus wichtiger – zu beweisen, was genau in der Mordnacht geschah.

Das gesamte Spiel ist von einem mexikanisch inspirierten Kunststil geprägt, was stark zur Inversion beiträgt. Die Grafik erinnert zwar an längst vergangene Tage, wirkt sogar teilweise etwas altbacken, aber das stößt nicht ab, sondern zieht einen hinein: Nichts ist rund gelutscht und glatt gebügelt. Die Kanten und Ecken treffen den Kern der Figuren und der Geschichte. Niemand ist hier perfekt. Um dies alles einzufangen, fotografiert Aguirre seine Umgebung, in der Hoffnung, weitere Hinweise auf die Auftraggeber des Präsidentenmordes zu erhaschen.

Die im Videospiel zu erkundenden Szenerien sind mit reichlich Sammlerstücken versehen, die nicht selten die weite Kulturgeschichte Mexikos aufgreifen. Die Bewaffnung des Protagonisten nur mit einer Kamera ist dabei die beste Idee des Spiels. Statt weitere ablenkende Gimmicks einzubauen, konzentriert sich das Spiel ganz auf seinen Kern: die Erkundung und genaue Beobachtung der vielfältig gestalteten Spielwelt.

»Mexico, 1921. A Deep Slumber« (Mácula Interactive), 19,50 €.

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