Reformkatholiken fürchten Rechtsruck

Kritik an widersprüchlichen Aussagen von Franziskus zu queeren Personen

Queere Segensfeiern könnten bald der Vergangenheit angehören.
Queere Segensfeiern könnten bald der Vergangenheit angehören.

Mit dem Tod von Papst Franziskus wachsen im katholischen Reformer*innenlager die Sorgen, wie ein Nachfolger des argentinischen Papstes mit der Öffnung der katholischen Kirche weiter verfährt. Franziskus würdigen die verschiedenen Gruppen dafür, dass er Reformen zumindest angestoßen habe.

Von der Initiative »Wir sind Kirche« heißt es etwa, dass Franziskus »gegen allen Widerstand vor allem im Vatikan« die Kirche grundlegender verändert habe, als es viele erwartet hätten. Franziskus habe mit der weltweiten Beteiligung von Laien an der Kirchensynode »eine kirchengeschichtliche Wende eingeleitet«, die, so hofft »Wir sind Kirche«, langfristig und unumkehrbar ist. Franziskus habe nach einer Zeit des Stillstands unter den beiden vorherigen Päpsten Reformideen wieder aufgenommen. Sein Verdienst sei es, »verkrustete Kirchenstrukturen aufgebrochen, den Klerikalismus benannt und bekämpft« zu haben und »gegen sexualisierte wie auch spirituelle Gewalt vorgegangen« zu sein wie kein Papst zuvor.

Von den Kardinälen fordert »Wir sind Kirche«, dass sie sich im Konklave auf einen Nachfolger von Franziskus einigen, der den Reformkurs »gradlinig und mit gleicher Intensität fortführt«. Nur so könne die katholische Kirche ihre verschiedenen Glaubwürdigkeitskrisen langfristig überwinden.

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) äußert sich in einer Stellungnahme ähnlich. Franziskus’ Pontifikat sei geprägt von einer Hinwendung zu den Menschen am Rande der Gesellschaft, er habe sich für internationale Gerechtigkeit eingesetzt und Menschen dazu bewogen, sich für »Veränderungen in unserer Welt zu engagieren«. Gregor Podschun, Vorsitzender des BDKJ würdigt Franziskus dafür, dass er Reformen angestoßen habe. Der Vertreter der organisierten katholischen Jugend in Deutschland stellt aber auch Anforderungen an den kommenden Papst: »Wir erwarten von seinem Nachfolger, dass er systemische Reformen angeht und noch mutiger die notwendigen Schritte unternimmt. Besonders im Bereich des Umgangs mit sexualisierter Gewalt und Reformen zu mehr Geschlechtergerechtigkeit liegt noch einiges an Weg vor uns.«

Von der Initiative Out in Church, in der sich queere Menschen aus der katholischen Kirche zusammengeschlossen haben, blickt man mit »gemischten Gefühlen« auf das Pontifikat von Franziskus zurück. In der queeren christlichen Community seien viele Hoffnungen in Franziskus gesetzt worden. In den vergangenen Jahren habe es aber »immer wieder Dämpfer gegeben«, heißt es von Out in Church auf »nd«-Anfrage. Franziskus habe immer wieder widersprüchliche Aussagen getätigt, »sodass die katholische Kirche nach wie vor kein Haus ist, das allen Menschen offensteht. Dieses von Franziskus entworfene und gerne verwandte Bild der Kirche ist nicht Wirklichkeit geworden.«

Allerdings glaubt man auch bei Out in Church, dass Franziskus Reformdebatten angestoßen habe – so weit, dass selbst »ein eher konservativer Papst diese Debatten nicht wird aufhalten können«. Dinge könnten sich verlangsamen, aber ein Stopp der Reformen oder ihre Rückabwicklung seien aus Sicht der Initiative »äußerst unwahrscheinlich«. Vom Nachfolger wünscht sich Out in Church, dass er sich »gerade im Hinblick auch auf queere Christ*innen eindeutiger positioniert, als es manchmal bei Papst Franziskus der Fall war«.

So wie Hoffnungen in den kommenden Papst gibt es auch Befürchtungen. Schon vor einem Monat ist ein Buch des italienischen Journalisten Marco Politi erschienen, in dem er den Kampf um die Nachfolge von Franziskus beschreibt. Im »Spiegel« warnte er am Montag, dass die erzkonservativen Kardinäle besonders gut organisiert seien.

Ein konservativer Nachfolger von Franziskus wäre wohl eine Freude für manch konservative Politiker*innen. Die CDU-Politikerin und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hatte sich am Sonntag in einem Interview über die »NGO-Kirchen« in Deutschland ausgelassen. Unter anderem erklärte Klöckner, dass sie ihre Kirchensteuer nicht zahle, um kirchliche Positionen zum Tempolimit zu erfahren. Klöckners Äußerungen stießen auf viel Kritik, auch aus der CDU.

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