Werbung

Thüringen: AfD als normale Oppositionspartei

Widersprüchliche Aussagen aus Erfurter Koalition zu Kooperationen mit extremer Rechter

In Sachen Umgang mit der AfD beruft sich SPD-Landtagsfraktionschef Lutz Liebscher (Mitte) auf ein striktes Kooperationsverbot der Brombeer-Koalition. Sein Amtskollege vom BSW, Frank Augsten (l.), macht längst andere Ansagen.
In Sachen Umgang mit der AfD beruft sich SPD-Landtagsfraktionschef Lutz Liebscher (Mitte) auf ein striktes Kooperationsverbot der Brombeer-Koalition. Sein Amtskollege vom BSW, Frank Augsten (l.), macht längst andere Ansagen.

CDU und BSW schaffen in Thüringen Fakten, was das Agieren gegenüber der AfD betrifft. Die SPD pocht derzeit noch auf die Koalitionsvereinbarung, derzufolge es keine Zusammenarbeit mit der extrem rechten Partei geben soll. Derweil erklärte CDU-Ministerpräsident Mario Voigt vor wenigen Tagen: »Wer die AfD schwächen will, muss sie politisch stellen – und nicht mit Parlamentstricks.« Denn da, wo sie inhaltlich gestellt werde, komme in Thüringen nicht viel von ihr, sagte Voigt im ZDF-Morgenmagazin.

Es gebe »keine Zusammenarbeit und keine Koalition« mit ihr, betonte der Erfurter Regierungschef. Die Diskussion darüber, ob die AfD Ausschussvorsitze im Bundestag bekommen könne, stärke sie. »Die Menschen verlieren das Vertrauen in die Demokratie, in die Funktionsfähigkeit des Staates«, warnte Voigt. Dieses Vertrauen könne man zurückgewinnen, »indem man die Probleme löst und keiner Diskussion ausweicht«. Demokraten müssten selbstbewusster auftreten.

Bei sicherheitsrelevanten Ausschüssen müsse sehr genau überlegt werden. »Aber gleichzeitig gilt natürlich, dass wir nach den Parlamentsregeln ihnen auch Ausschussvorsitze zubilligen«, sagte Voigt. Das sei ein Weg, den Wählerinnen und Wähler erwarteten. »Ich ignoriere diese Wähler nicht, aber ich bekämpfe diese extremistische Partei«, betonte er. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn, hatte zuvor dafür plädiert, mit der AfD so umzugehen »wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch«. Die Politik müsse »auch einfach anerkennen«, »wie viele Millionen Deutsche die AfD gewählt haben«. Mehrere andere Unionspolitiker stimmten Spahn zu.

Das BSW vertritt auf Bundes- wie auf Landesebene ähnliche Positionen. Das zeigen Aussagen von Frank Augsten, Chef der BSW-Fraktion im Thüringer Landtag. Dagegen pocht der SPD-Fraktionsvorsitzende Lutz Liebscher auf eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag von CDU, BSW und SPD, derzufolge es keine Kooperation mit der AfD gebe.

»Ihre ursprüngliche Ansage, dass sie die Koalition verlassen werde, wenn irgendwas mit der AfD gemacht wird, hat die SPD überdacht.«

Frank Augsten BSW-Fraktionschef im Thüringer Landtag

Kürzlich betonte Liebscher in der Landespressekonferenz, anderslautende Aussagen von Augsten seien falsch: »Sie kennen alle unsere Festlegungen im Koalitionsvertrag: Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD.« Auf Nachfragen, ob die SPD bei ihrer Position bleibe und aus der Koalition aussteigen werde, sollte es anders kommen, lächelte Liebscher und erklärte: »Wir machen ja nichts mit der AfD. Insofern habe ich gar keinen Anlass, darüber nachzudenken.«

BSW-Mann Augsten hatte zuvor festgestellt, es gebe in der Koalition »Bewegung« in der Frage des Umgangs mit der AfD. »Als ich hier angefangen habe als Fraktionsvorsitzender, da war schon die Stimmung, dass die CDU am liebsten nichts mit den Linken machen möchte und die SPD nichts mit der AfD«, sagte er. Inzwischen hätten sich diese Haltungen aber abgeschwächt. Ihre ursprüngliche Ansage, dass sie die Koalition verlassen werde, »wenn irgendwas mit der AfD gemacht wird«, habe die SPD »überdacht«, wusste Augsten, »weil es auch nicht funktioniert«.

Ein paar Tage nach diesen Aussagen von Augsten und Liebscher wurde der Anwalt Bernd Wittig von der AfD zum stellvertretenden Richter am Thüringer Verfassungsgerichtshof gewählt. Die SPD gab sich anschließend empört. Die Mehrheit für Wittig kam zustande, weil zumindest einige Abgeordnete von CDU und BSW mit der AfD gestimmt hatten. Die SPD-Fraktion votierte dagegen nach eigenen Angaben geschlossen gegen Wittig.

Mehr und mehr kristallisiert sich damit heraus, dass innerhalb der Koalition die SPD die Brücke zur Linken ist, während das BSW als Brücke zur AfD fungiert. Dass es solche Brücken braucht, liegt an den Mehrheitsverhältnissen im Erfurter Parlament: Die Koalition von CDU, BSW und SPD verfügt über 44 von 88 Mandaten und damit nicht über eine eigene Mehrheit.

Die SPD ringt bei all dem um ihre Glaubwürdigkeit. Inner- und außerhalb der Partei wird darüber gestritten, was genau eine Zusammenarbeit mit der AfD ist und ab welchem Punkt die SPD daran beteiligt wäre. Fängt sie an, wenn die Dreierkoalition einem Gesetzentwurf der AfD zustimmt? Oder wenn sie Wahlvorschläge der Rechten für bestimmte Posten mitträgt? Und arbeitet die SPD indirekt mit der AfD zusammen, wenn deren Abgeordnete wie im Fall Wittig zwar gegen einen AfD-Kandidaten stimmen, aber zulassen, dass ihm CDU und BSW zur nötigen Mehrheit verhelfen?

Im Koalitionsvertrag hatten sich die Parteien auf diesen Satz verständigt: »Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD, Gespräche zu notwendigen parlamentarischen Verfahren und Entscheidungen sind aufgrund der Sperrminorität zu führen.« Er lässt durchaus Spielraum für Interpretationen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.