- Berlin
- 1. Mai in Berlin
Protestmarathon zum 1. Mai: Gegen Kahlschlag und Militarisierung
Unterschiedliche Schwerpunkte, viele Gemeinsamkeiten – linke Demonstrationen rund um den 1. Mai
Wie zersplittert ist die linke Bewegung? Sehr stark, könnte man angesichts zahlreicher unterschiedlicher Demonstrationen rund um den 1. Mai meinen. Aber der Schein trügt. Die Schwerpunkte unterscheiden sich, aber die inhaltlichen Überschneidungen überwiegen: Militarisierung, Internationalismus und die sich verschlechternden Lebensbedingungen.
Wedding gegen Krieg und Krise
Den Auftakt im Protestmarathon macht die Demonstration »Löhne erhöhen. Mieten senken. Frieden schaffen.«, federführend organisiert von der sozialistischen Stadtteilorganisation »Hände weg vom Wedding«. »Seit Jahren wird in Berlin gespart und gekürzt«, heißt es im Demonstrationsaufruf, der von zahlreichen im Nordberliner Stadtteil aktiven linken Gruppen unterstützt wird, von der Basisorganisation der Linken im Wedding, bis zur »North East Antifa«. In den Bereichen Bildung, Soziales, Kultur und der öffentlichen Infrastruktur werde mit neuer Wucht eingespart und kaputtgespart, so der Aufruf.
Neben der Kürzungspolitik richtet sich die Demonstration auch gegen die »katastrophale Wohnsituation« in Berlin. »Viele von uns fragen sich, wie lange sie noch im Wedding leben können.« Steigende Lebensmittelpreise, stagnierende Löhne und gleichzeitig im »europaweiten Wahn« erhöhte Rüstungsausgaben lassen die Organisator*innen zu dem Schluss kommen: »Krieg und Krise werden auf unserem Rücken ausgetragen und auf uns abgewälzt.« Aber: »Der Wedding wehrt sich!« Und zwar am 30. April um 17 Uhr am Leopoldplatz.
Queerfeministische Walpurgisnacht
Die Walpurgisnacht geht dann queerfeministisch weiter: Die Demonstration »Take back the night« zieht ab 20 Uhr vom Kreuzberger Mariannenplatz zum Ostkreuz. Die Organisator*innen schlagen einen Bogen von internationalen Kämpfen für Freiheit zur Unterdrückung von FLINTA* (Frauen, Lesben, Inter, Nichtbinäre, Trans* und Agender) in Deutschland. »Denn die Verwobenheit von Kapitalismus, Kolonialismus und Patriarchat schafft die Bedingungen, um FLINTAS* weltweit zu unterdrücken, zu domestizieren und zu ermorden. Wir stehen in Solidarität mit allen Unterdrückten überall!«, so der Demonstrationsaufruf.
Die Organisator*innen solidarisieren sich mit vier pro-palästinensischen Aktivist*innen, die der Berliner Senat ausweisen will und kritisieren Polizeigewalt auf Demonstrationen. »Der deutsche Antisemitismus wird negiert und für rassistische Hetze instrumentalisiert, um Polizeigewalt zu rechtfertigen«, heißt es. Auch gegen Femizide, häusliche Gewalt und die Kriminalisierung von Sexarbeit wird demonstriert. Die Demonstration ist nur für FLINTA*.
Elon Musk zum Mars
Der Kampftag der Arbeiterklasse selbst beginnt um 11 Uhr mit der traditionellen Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes unter dem Motto »Mach dich stark mit uns«. Diese startet am Strausberger Platz und zieht zum Roten Rathaus.
Für 13 Uhr ruft das selbsternannte »Quartiersmanagement Grunewald« beziezungsweise die »Gemeinwohlorientierte Raumfahrt-Behörde Grunewald Space Agency« zum Johannaplatz. Die Satiredemo will Milliardäre wie Elon Musk vom »Spaceport Cape Gruneval im Südwesten Berlins« zum Mars schicken. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz soll ein Flug ermöglicht werden, »schließlich macht er beste Politik für Überreiche und wird als Kanzler der Mars-Kolonie Neu-Grunewald glänzen können«. Die Aufmachung ist witzig, das Anliegen ist ernst: Im Aufruf wird die Kürzungspolitik kritisiert, genauso die Umverteilung von unten nach oben und Militarisierung. »Indem wir die größten Profiteure von Aufrüstung und Abschottung ins All schießen, leisten wir einen wichtigen Beitrag.«
1. Mai: zaunfrei und revolutionär
Zeitgleich mit der Satiredemo im tiefen Berliner Westen findet im Görlitzer Park in Kreuzberg ab 13 Uhr ein »Protest-Festival« statt. Der »Rave against the Zaun« mit Livebands, Reden und Infoständen wird dann ab 16.30 Uhr mit einer »Protestparade« abgeschlossen. Ausgangspunkt ist die Kritik an der vom Berliner Senat geplanten Umzäunung des Parks. Aber auch hier richtet sich der Protest gegen Aufrüstung und Militarisierung. »Diese Politik der Abschottung und die Logik, Gewalt als Mittel der Konfliktlösung einzusetzen, muss durchbrochen werden«, heißt es in einer Pressemitteilung.
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Die Protestparade will sich am Hermannplatz als Block der Revolutionären 1. Mai-Demonstration anschließen, die ab 18 Uhr vom Südstern zum Rathaus Neukölln und zurück zum Auftaktort zieht. Um diese wurden vorab zahlreiche Gerüchte in die Welt gesetzt: In Teilen der Hauptstadtpresse war von 24 verschiedenen Blöcken die Rede. Das Demobündnis dementiert: »Es wird am Donnerstag sechs Blöcke geben«, erklärt das Bündnis in einer Pressemitteilung. Ein antimilitaristischer Block wendet sich gegen imperialistische Kriege, mit einem »besonderen Fokus auf den Genozid in Palästina sowie die sich zuspitzende Situation in Kurdistan«. Antifaschistische Gruppen rufen zu einem Block mit Schwerpunkt Repression gegen Antifaschist*innen auf. Es gibt einen migrantischen, einen sozialistischen und einen feministischen Block, zu dem es in einem Aufruf heißt: »kein Klassenkampf ohne Feminismus, kein Feminismus ohne Klassenkampf«.
Was es, anders als kolportiert wurde, nicht geben wird, ist ein »Israelfreundlicher Block«, so das Bündnis. »Genauso, wie wir keinen Antisemitismus dulden werden, werden wir uns nicht der rassistischen Hetze gegen Palästinenser*innen anschließen«, so Rosa Hikmet, Sprecherin des Bündnisses. Und weiter: »Wir lassen uns von keiner Repression dazu bringen, einen Geozid nicht beim Namen zu nennen und ein offensichtliches Apartheidsregime in Schutz zu nehmen.«
Und die Polizei? Anders als in den Jahren zuvor hält sie sich mit Panikmache zurück, was mögliche Ausschreitungen betrifft. Auffahren wird sie trotzdem. Rund 6000 Polizeibeamt*innen sollen zum Einsatz kommen. Die Organisator*innen zeigen sich davon unbeeindruckt. »Nichts könnte uns egaler sein, als die Berliner Polizei«, so Hikmet weiter. Die Demo bleibe die gleiche, »ob 6000 Polizist*innen den Verkehr verstopfen oder nur 60 den Verkehr regeln«.
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