Was tun, wenn der Patient eine notwendige Operation verweigert?

  • HANNELORE HÜBNER
  • Lesedauer: 2 Min.
Was tun, wenn der Patient eine notwendige Operation verweigert? Niemand geht gern ins Krankenhaus und lässt an sich herumschnippeln. Und nicht selten wird den Ärzten mit einer Portion Misstrauen begegnet. Und nicht immer zu Unrecht, denn einige schwarze Schafe haben den Ruf der ganzen Berufsgruppe ziemlich ruiniert. Und die Frage, ob die angeratene OP mehr den wirtschaftlichen Interessen des Arztes oder doch dem Wohl der eigenen Gesundheit dient, kann nur in den seltensten Fällen vom Patienten beantwortet werden. Das geschwundene Vertrauen zurück zu gewinnen wird mühsam sein - und wohl sehr lange dauern. Doch wie müssen sich Mediziner verhalten, wenn ein Patient die angeratene Behandlung verweigert? Der Anwalt-Suchservice berichtet über einen solchen Fall, den das Oberlandesgericht Schleswig beschäftigte. Eine Frau begab sich in ärztliche Behandlung, weil sie sich an einer Rose gestochen und dadurch am Zeigefinger verletzt hatte. Es war zu einer Entzündung des Fingers gekommen. Der Hausarzt verschrieb ein Antibiotikum und überwies sie zwei Tage später zur Weiterbehandlung an einen niedergelassenen Chirurgen. Dieser röntgte zunächst die Hand. Da sich die Entzündung des Fingers bereits ausgebreitet hatte, riet der Arzt zur ambulanten Operation. Doch die Patientin wollte nicht und verweigerte die OP. Nach längeren ergebnislosen Gesprächen nahm der Chirurg deshalb lediglich einen Hautschnitt vor und legte der Frau eine Unterarmschiene an. Als sich der Zustand der Entzündung weiter verschlimmerte, überwies er die Patientin zwei Tage später an die chirurgische Abteilung des städtischen Klinikums, wo sie noch am selben Tag operiert wurde. Später verklagte die Frau den niedergelassenen Chirurgen. Sie meinte, er habe die notwendige OP schuldhaft verzögert und sei deshalb verantwortlich für eine Vielzahl davongetragener Schäden. Vernarbung und Verkrümmung des Fingers, Angstzustände, Schlafstörungen, Bluthochdruck, stressbedingte Neurodermitis und zeitweilige Depressionen. Die Patientin verlangte rund 5000 Euro Schmerzensgeld von dem Arzt, doch dieser war sich keiner Schuld bewusst. Der Fall ging vor Gericht. Die Richter des OLG Schleswig entschieden zu Gunsten des Mediziners (Urteil v. 8.6.2001, Az: 4 U 28/00). Die ärztliche Aufklärungspflicht bestehe darin, so die Richter, den Patienten, der die notwendige Behandlung verweigere, auf mögliche Gefahren der Nichtbehandlung hinzuweisen. Dies habe der Chirurg getan. Er habe der Frau wegen der fortschreitenden Entzündung und akuter Gesundheitsgefährdung eine OP eindringlich nahegelegt, und damit seine therapeutische Aufklärungspflicht erfüllt.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.