Angeklagte gesteht Spionage für die DDR

Rentnerin wird Landesverrat vorgeworfen

  • Herbert Kloss, Düsseldorf
  • Lesedauer: 2 Min.
Mehr als zehn Jahre nach der deutschen Einheit wurde in Düsseldorf erneut ein Spionageprozess eröffnet.
Vor dem 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf begann am Dienstag der Strafprozess wegen Landesverrats gegen Inge W. (69). Die frühere Angestellte beim Westberliner Senator für Finanzen legte zu Beginn der Beweisaufnahme ein Geständnis ab. Die Rentnerin war ab etwa 1963 bis 1989 zusammen mit ihrem verstorbenen Ehemann als IM »Jutta« für die Bezirksverwaltung Berlin/Abteilung XV der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit tätig. Statt ihren 69. Geburtstag zu feiern, saß Inge W. gestern auf der Anklagebank im abhörsicheren Sitzungssaal A01 des OLG. Es ist der dritte Strafprozess wegen Landesverrats, der auf Grund der Auswertung der 1998 entschlüsselten SIRA-Datei der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) durchgeführt wird. Bundesanwalt Joachim Lampe warf der Angeklagten vor, sie habe als Quelle »Jutta« an die Abteilung XV der Bezirksverwaltung Berlin des MfS unter anderem sieben Protokolle des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages geliefert, die Militärpolitik und militärische Beschaffungsvorhaben beinhalteten. Diese Dokumente »stellten in ihrer Gesamtheit ein Staatsgeheimnis dar«. Außerdem sollen laut Bundesanwalt zwei dieser Dokumente (3. Sitzung vom 14. Juni 1983 und 94. Sitzung vom 5. Juni 1986) »für sich betrachtete Staatsgeheimnisse« enthalten haben. Es ging darin um einen Lagevortrag des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Wolfgang Altenburg, über die Fähigkeiten der Streitkräfte sowie den Kampfauftrag der ECR-Version des Aufklärungsflugzeuges MRCA Tornado und für das Aufklärungssystem des Heeres »Drohne«. Laut SIRA (System Informationsrecherche der Aufklärung) war »Jutta« mit 952 registrierten Informationen eine Spitzenquelle des DDR-Geheimdienstes. Ihr Verteidiger Rüdiger Deckers trug für die Angeklagte vor, wie Inge W. in die Spionage verstrickt wurde. Ihr inzwischen verstorbener Ehemann Johann (Deckname »Nikolaus«) habe sie 1960 über einen »Heinz« dem DDR-Auslandsnachrichtendienst zugeführt. Ab etwa 1963 bis 1989 war sie mit einer Unterbrechung von mehreren Jahren wissentlich Spionin. Inge W., ehemals CDU-Mitglied, sagte, sie habe aus Liebe zu ihrem Mann, und »damit es keinen Krieg gibt«, mitgemacht. Im Laufe der Jahre traf das Ehepaar mehrfach mit den Führungsoffizieren »Wolfgang« und »Heinz« in Ostberlin und in Wien (1988) zusammen. Ehemann Johann war als Kurier eingesetzt. Der Vorsitzende des Düsseldorfer Senats, Hans Servos, hat mehrere Verhandlungstage anberaumt. Auf die Zeugenvernehmung wurde verzichtet.

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