Forscher verlassen Elfenbeinturm
Studie: Kaum noch Berührungsängste zu Massenmedien
Als Wissenschaftsjournalist hört man nicht selten die skeptische Frage, ob die Herren Professores und Doktores denn überhaupt mit einem reden. Und tatsächlich wird zuweilen noch geschimpft, dass »die Medien« alles unzulässig vereinfachen und entstellen. Allerdings – so der Eindruck des Autors – schlägt diese Abneigung nur noch wenigen Medien so deutlich entgegen. Die individuelle Erfahrung wird nun von einer Studie gestützt, die im Fachmagazin »Science« (Bd. 321, S. 204) veröffentlicht wurde: Weit über die Hälfte der befragten Forscher aus den fünf größten Wissenschaftsnationen beschreiben Kontakte mit Journalisten als überwiegend gut. Vier von zehn fanden öffentliche Berichterstattung sogar karrierefördernd.
»Aufräumen sollte man auch mit dem Vorurteil, dass sich deutsche Forscher generell schwerer mit dem Journalismus tun und weniger motiviert sind, öffentlich über ihre Forschung zu berichten als ihre Kollegen aus den USA«, sagt der Leiter der Studie, Hans Peter Peters vom Forschungszentrum Jülich. In allen untersuchten Ländern war die Zahl der Medienkontakte ähnlich hoch. Über zwei Drittel der Forscher hatten in einem Zeitraum von drei Jahren mit Medien zu tun. Auch ihre Erfahrungen waren in allen Ländern positiv. Den Hauptgrund dafür sehen die Autoren in der gesellschaftlichen Notwendigkeit einer öffentlichen Legitimation der Wissenschaft. Daür spricht für die Autoren auch, dass Medienpräsenz und Leitungsfunktion deutlich zusammenhängen. »Zur Rolle eines leitenden Forschers gehört es inzwischen, zu Kontakten mit den Massenmedien bereit zu sein«, erklärt Peters. »Das heißt, es ist nicht ins Belieben der einzelnen Wissenschaftler gestellt, ob sie in Kontakte mit den Medien einwilligen«, ergänzt er. »In bestimmten Positionen und Situationen wird es von ihnen erwartet. Erst in zweiter Linie spielen auch persönliche Einstellungen eine Rolle.«
Die nun veröffentlichte Studie ist die weltweit erste umfassende internationale Wissenschaftler-Befragung zu diesem Thema und wurde vom Forschungszentrum Jülich und Partnern aus Frankreich, Großbritannien, Japan und den USA durchgeführt. Die Stichprobe umfasst rund 1350 biomedizinische Forscher aus den fünf größten Wissenschaftsnationen, die in den Jahren 2002 bis 2004 mindestens zwei einschlägige Fachveröffentlichungen vorweisen konnten. Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurden die Befragten aus zwei klar definierten Forschungsbereichen ausgewählt, der Epidemiologie und der Stammzellenforschung, zwei Gebieten also, die besonders starke öffentliche Aufmerksamkeit genießen.
Insbesondere angesichts der höchst kontroversen Debatte in Deutschland über die Stammzellforschung ist man verblüfft, dass auch hier zu Lande ca. 60 Prozent der befragten Wissenschaftler mit dem Ertrag ihrer Medienkontakte zufrieden waren und vergleichsweise wenige zu dem Schluss kamen, ihre Aussagen seien von ihren Gesprächspartnern verzerrt wiedergegeben worden.
Die Gesamtstudie findet sich im Internet: www.fz-juelich.de/portal/...
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