Werbung

Keine Lizenz - und nun?

EISHOCKEY: Der Absturz der Capitals / Misswirtschaft bei den Berlinern seit spätestens 1995

Es sieht so aus, als würde die am 7. September beginnende Saison in der Deutschen Eishockey-Liga nur mit 14 statt mit 16 Mannschaften über die Eisbühne gehen. Die DEL-Gesellschafterversammlung verweigerte auf ihrer Sitzung in Berlin zwei Teams die Lizenz: den Berlin Capitals und den Revier Löwen Oberhausen. Als mögliches 15. DEL-Team wird nun der ERC Ingolstadt gehandelt. Hintergrund für die Nichterteilung der Lizenz sind schlicht und einfach Schulden. Bei den Capitals sollen sie sich auf die Rekordsumme von rund 23 Millionen Mark belaufen. Bei den Revier Löwen ist von einer Etat-Unterdeckung von 1,2 Millionen Mark die Rede. Beide Vereine haben nach dem DEL-Statut 14 Tage Zeit für einen erneuten Linzen-Antrag, der im Falle von Oberhausen Erfolg haben könnte. Bei den Capitals ist es eher unwahrscheinlich, dass in dieser kurzen Zeit ein tragfähiges Sanierungskonzept vorgelegt werden kann. Ihre Krise ist auch keine sonderlich überraschende. Spätestens seit 1995 rumort es dort mächtig. Der frühere Berliner SC Preussen hatte schon nach Ablauf der DEL-Saison 1995 - ausgerechnet im Jahr nach dem zehnjährigen Be- stehen - vor einem Schuldenberg gestanden. Damals war die Führungscrew um Ex-Präsident Herrmann Windler davongejagt worden. Sie hatte einen Schuldenberg von vier Millionen Mark hinterlassen. Mit Axel Banghard, einem damals 29-jährigen Jung-Unternehmer einer großen Immobilienfirma, hielt ein »Retter« bei den Charlottenburgern Einzug und hatte fortan das Sagen. Man löste kurzerhand den verschuldeten BSC Preussen auf und gründete die Preussen Devils. Bereits 1997 ergriff der neue Präsident Axel Banghard die Flucht. Der Junior-Chef hinterließ seinem Vater Egon ein marodes Sport-Erbe. Der Bauunternehmer hielt fortan als Hauptgesellschafter den weiterhin verschuldeten Verein über Wasser. Und aus den Teufeln wurden die Capitals. Doch das Capitals-Unternehmen blieb angeschlagen und nur sportlich zeitweilig ein Spitzenteam. Hinter den Kulissen ging es hoch her - wegen fürstlicher Zahlungen an Trainer, Manager und Geschäftsführer, wegen teurer Einkäufe von Spielern, die ihr Geld nicht wert waren, wegen einer Freikartenaktion, für die sich sogar der Bundesrechnungshof interessierte. Eine Ära der Blenderei, Finanz-Verschleierung und Misswirtschaft ohne Ende. Als im Frühjahr dieses Jahres offenbar wurde, dass bei den Capitals keine Gehälter mehr gezahlt werden, musste Egon Banghard gegenüber der DEL-Gesellschafterversammlung seine ganze Überzeugungskraft aufbringen, um zu verhindern, was nur noch vorübergehend zu verhindern war: den Lizenz-Entzug. Nunmehr hatte der 60-jährige Capitals-Mäzen die dramatische Entwicklung noch über Nacht mit einem so genannten Sanierungskonzept, das er der DEL-Gesellschafterversammlung unterbreitet, zu stoppen versucht. Es lief darauf hinaus, eine neue Auffanggesellschaft mit einem Stammkapital von zehn Millionen Mark zu gründen. Doch diese fragwürdige Art des Überlebenskampfes fand keine Mehrheit bei der DEL - 10:3 Stimmen dagegen. DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke sprach vom »Selbstreinigungsprozess«. Der Kreislauf Schulden machen, Pleite machen, dann einen neuen Verein gründen sei ein »inakzeptables Konzept und schlechtes Beispiel für die DEL. Hätten wir nachgegeben, könnte alle sagen, wir machen bis zu einem bestimmten Punkt Schulden und gründen dann was Neues.« Die Lage für die Capitals ist nahezu auswegslos. Die Gläubiger stehen bereits Schlange, die Spieler fordern teilweise auf gerichtlichem Wege ihre Gehälter und schauen sich schon nach anderen DEL-Vereinen um (zwei sollen schon bei den Eisbären sein), das Finanzamt verlangt die Steuerschuld, die AOK dringt auf die Zahlung von 70000 Mark - der Konkurs ist greifbar nahe. Hinzu kommt, dass die US-amerikanische Anschutz-Gruppe - Besitzer der Berliner Eisbären und der München Baraons - ihr ursprüngliches Angebot einer 20prozentigen Beteiligung an den Capitals zurückgezogen hat. Das Risiko war selbst für den Multi-Milliardär Anschutz nicht mehr kalkulierbar genug.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.