Glitter ohne Grenzen und Diskriminierung ins Klo

Berlin hat zwei CSDs – wer wo hin geht, entscheidet sich politisch

  • Ina Beyer
  • Lesedauer: 4 Min.
Berlin im CSD-Fieber. Mehr als eine halbe Million ging zur großen Parade der Schwulen und Lesben und demonstrierte sich »Stück für Stück ins Homoglück«. Ein paar Tausend andere forderten beim Transgenialen CSD »Glitter ohne Grenzen«.
Glitter ohne Grenzen und Diskriminierung ins Klo

Berlin hat international den Ruf, Europas Homohauptstadt zu sein. Die riesige Szene, ihre vielfältigen Angebote und der den Berlinern eigene »Laissez faire«-Stil ziehen immer wieder neue Lesben, Schwule und Transgender in die Stadt und dies wiederum sorgt für eine sehr diverse Szene. Doch selbst auf den Hauptstadtstraßen sind die Verhältnisse nicht immer rosig. Ein paar Monate ist es her, dass der Besitzer einer Schöneberger Eisdiele zwei Lesben aus seinem Lokal verbannte, angeblich, weil ihm das küssende Paar die Kundschaft vertreibt. Ein ähnlicher Fall ereignete sich unlängst im Bezirk Kreuzberg, diesmal ein Falafelladen, zwei schwule Männer küssend davor und ein Ladenbesitzer, der ähnlich argumentierte wie der in Schöneberg.

Neben solchen Diskriminierungen kommt es mitunter auch zu körperlicher Gewalt gegenüber der Minderheit, etwa, als im vergangenen Jahr mehrere Performende nach einem Drag-King-Festival in Kreuzberg zusammengeschlagen wurden. Wenn das schon die paradiesischsten Zustände sind, mit denen Schwule, Lesben und Transgender in Europa rechnen können, dann gibt das Anlass genug, auch 40 Jahre nach den Aufständen in der New Yorker Christopher Street, von denen der CSD seinen Namen hat, auf die Straße zu gehen.

Der große CSD ist vielen zu unpolitisch

Der große CSD, so beklagen Szeneaktivisten, ist aber mittlerweile vor allem aber zum Kommerzspektakel verkommen, auf dem die wenigsten sind, weil sie ihr politisches Engagement auf die Straße tragen wollen. Das Motto dieses Jahr, »Stück für Stück ins Homoglück – Alle Rechte für alle«, bezog sich auf die Forderung eines im Grundgesetz verbrieften Diskriminierungsschutzes für Homosexuelle und Transgender. LINKE, Grüne und SPD im Berliner Abgeordnetenhaus hatten die Forderung im Vorfeld unterstützt. Es sei das erste Mal, dass das Anliegen der Bewegung schon vor der eigentlichen Parade erfüllt wurde, kommentierte Jan Salloch, Vorstand des Vereins CSD.

Man kann sich fragen, was diese Tatsache für die Bewegung bedeutet. Fakt ist: Vielen engagierteren Homos und Transgendern gehen die Forderungen des großen CSD nicht weit genug – auch deshalb, weil dabei der Blick nicht über den eigenen Tellerrand hinausgeht und andere Formen der Minderheitendiskriminierung völlig aus dem Blickfeld geraten.

Seit 1998 wird deshalb aus dem linkeren Spektrum der Szene heraus jährlich der Transgeniale CSD organisiert, bei dem Inhalte eine weitaus bedeutendere Rolle spielen. Unter dem Motto »Toleranz? Nein Danke! Glitter ohne Grenzen« hatte das Vorbereitungsbündnis in diesem Jahr zur Demonstration durch Friedrichshain und Kreuzberg aufgerufen, wo die Parade traditionell mit einer Straßenparty auf dem Heinrichplatz endet. Parteifahnen, so der Konsens, bleiben draußen. Man möchte sich – von wem auch immer – nicht vereinnahmen lassen.

Mehrere Tausend kamen, um gegen Homophobie, Rassismus, steigende Mieten, Privatisierung und andere Verhältnisse zu protestieren, die Diskriminierung und Ausgrenzung von Minderheiten und sozial Schwächeren ermöglichen. Gewarnt wurde beim TCSD auch davor, Homophobie und Rassismus in Konkurrenz zueinander zu stellen, wie es aus diesem Teil der Szene etwa dem mainstreamigeren Lesben- und Schwulenverband LSVD vorgeworfen wird, der in der Vergangenheit unter anderem Selbsthilfegruppen für homophobe Migranten forderte. Oder dem schwulen Anti-Gewalt-Projekt Maneo, das betont, dass der Anteil homophober Gewalttäter bei Migranten höher liege als im Schnitt der Gesamtbevölkerung.

Kein Rassismus gegen Homophobie

»Überall auf der Welt gibt es Homophobie«, sagt Kori Klima, Moderatorin des diesjährigen Transgenialen CSD, auf ND-Anfrage. »Aber immer wieder wird die Verknüpfung hergestellt, dass Migranten besonders homophob sind«, kritisiert sie. In einem Redebeitrag, den sie auf der Demo vorträgt, stellt sie das von den Medien geschaffene Bild des »besonders homophoben Migranten« in Frage, das sich über die immer wieder explizite Erwähnung von Herkunft und Hautfarbe der Angreifer mit Migrationshintergrund zusammensetzt. Dagegen werde bei weißen Deutschen zumeist weder Hautfarbe noch Herkunft thematisiert, noch werde auf solch breiter medialer Ebene über die weißdeutsche, christliche Homophobie diskutiert, wenn Übergriffe geschehen. Dabei sind eben diese weißen Deutschen jene, von denen statistisch die meisten Übergriffe ausgehen, weil sie die Mehrheitsgesellschaft bilden. »Wir haben keine Lust, uns entscheiden zu müssen, ob wir gegen Homophobie oder gegen Rassismus demonstrieren wollen, denn beides gehört bekämpft«, ist Klimas Fazit. Sie betont, dass Rassismus auch innerhalb der Szene vorkomme. Ihr ist es deshalb wichtig, dass sich damit weitgehender als bisher auseinandergesetzt wird.

40 Jahre nach den Aufständen in der Christopher Street in New York (siehe unten) darf natürlich auch ein Transparent nicht fehlen, dass erinnert: »Stonewall was a riot« – Stonewall war ein Aufstand. Den wollen auch die Leute beim Transgenialen CSD. Aber eben nicht nur den fürs eigene Homo-Glück, sondern einen, der tatsächlich auf alle Rechte für alle und ein Leben ohne Diskriminierungen abzielt.

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