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Privatisierte Gesetzgebung

Das Bundeswirtschaftsministerium betreibt fragwürdiges Outsourcing

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Bundeswirtschaftsminister Guttenberg (CSU) ließ einen Gesetzentwurf zur Bankenpleite von der Wirtschaftskanzlei Linklaters schreiben. Der Vorfall zeigt, wie groß der Einfluss externen Berater auf die deutsche Gesetzgebung bereits ist.

Die britische Wirtschaftskanzlei Linklaters ist ein wahrer Global Player. Nach Angaben des Londoner Fachmagazins »The Lawyer« gilt Linklaters mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro im letzten Jahr als zweitgrößte Kanzlei der Welt. Auch in Deutschland verfügt die Firma über Niederlassungen in Berlin, Frankfurt am Main, Düsseldorf und München. Bis zum Ausbruch der Finanzkrise verdiente Linklaters sein Beratergeld vor allem mit Konzernfusionen und »der Vermarktung toxischer Finanzprodukte«, wie Wolfgang Lieb, ehemaliger Staatssekretär und Herausgeber der Nachdenkseiten, kritisiert. Ausgerechnet diese Kanzlei soll den kompletten Entwurf zum »Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesensgesetzes« erarbeitet haben, berichtete die »Süddeutsche Zeitung« am vergangenen Wochenende. Das fragliche Gesetz soll den zukünftigen Umgang mit Pleite-Banken regeln. Also möglicherweise jenen Instituten, die Linklaters seit Jahren berät.

Auftraggeber war das unionsgeführte Bundeswirtschaftsministerium unter Karl Theodor zu Guttenberg, obwohl das Insolvenzrecht eigentlich Sache von Justizministerin Zypries wäre. Wie ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber ND betonte, seien beide Ministerien per Kabinettsbeschluss vom 14. Februar mit der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs beauftragt worden. Guttenbergs Vorlage sollte also nur eine Diskussionsgrundlage sein für eine Abstimmung zwischen beiden Ressorts. Ministerin Zypries wollte ebenfalls einen eigenen Entwurf vorlegen, der momentan noch erarbeitet wird. Somit verschaffte sich der CSU-Minister einen unlauteren Vorteil gegenüber Brigitte Zypries als er eine der renommiertesten und teuersten Kanzleien der Welt engagierte. Entsprechend verschnupft regierte die Sozialdemokratin am Dienstag: »Es ist unverantwortlich, eine große Wirtschaftskanzlei zu beauftragen, statt den vorhandenen Sachverstand innerhalb der Bundesregierung zu nutzen«, sagte Zypries der »Berliner Zeitung«. In der ganzen Aufregung um das skandalöse »Outsourcing« der Gesetzgebung verloren die meisten Journalisten das Wesentliche aus den Augen: den Inhalt des Gesetzentwurfs.

Guttenberg bevorzugt – im Gegensatz zur Justizministerin – eine »staatliche Zwangsverwaltung« von Pleite-Banken durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Hier liegt der eigentliche Skandal: Wie Herbert Schui, der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, gegenüber ND betont, sei die von Guttenberg und Linklaters befürwortete »staatliche Zwangsverwaltung« von maroden Banken keinesfalls mit einer an sich wünschenswerten Verstaatlichung zu verwechseln. »Guttenberg lässt die Eigentumsrechte unangetastet«, kritisiert Schui. Unter einer solchen Zwangsverwaltung seien die Rechte der Eigentümer nur für die Dauer der Sanierung eingeschränkt. »Nachdem die Bank mit Steuergeldern aufgepäppelt wurde, erhalten die Eigentümer ihr volles Verfügungsrecht zurück«, erklärt der ehemalige Professor für Volkswirtschaftslehre. Justizministerin Zypries bevorzugt hingegen ein »privatautonomes Planverfahren«, das die Eigentümer stärker in die finanzielle Verantwortung nehmen würde. Aufgrund dieser Unstimmigkeiten zwischen SPD und Union wird das Gesetz vor der Wahl am 27. September wohl nicht mehr verabschiedet werden. Sollten Union und FDP das Rennen machen, wird sich der Entwurf von Guttenberg und Linklaters durchsetzen – zur Freude der Bankeigentümer.

Die stillschweigende Kooperation zwischen privaten Kanzleien und Bundesregierung ist dabei nichts wirklich Neues. Bereits im März dieses Jahres wollte der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic (LINKE) wissen, wie viele Gesetz- und Verordnungsentwürfe in der laufenden Wahlperiode mit Hilfe von externen Beratern erarbeitet wurden. In ihrer Antwort musste die Bundesregierung zugeben, dass »bei 17 Entwürfen vertraglich vereinbarte Beratungsleistungen in Anspruch genommen« worden seien.

Und guter Rat ist bekanntlich teuer: So zahlte man für einen Entwurf zur »Neuordnung der Eisenbahnen des Bundes« mehr als eine Million Euro. Auch die Novelle des »Erneuerbare-Energien-Gesetzes« schlug mit 275 000 Euro zu Buche. Selbst bei so heiklen Problemen wie Atommüll oder Emissionshandel verließ man sich auf den Rat externer Juristen, bei denen nicht immer ganz klar ist, wessen Interessen sie eigentlich vertreten. Insgesamt verdienten die Berater in den letzten vier Jahren etwa 2,5 Millionen Euro mit staatlichen Aufträgen. Für den Juristen Wolfgang Neskovic, der auch als Richter beim Bundesgerichtshof tätig war, ist diese »Privatisierung der Gesetzgebung« ein »Bankrottbekenntnis der Ministerien«.

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