Die Machenschaften des Dieter A.
Autor Stefan Wogawa beleuchtet den politischen Werdegang des Thüringischen Ministerpräsidenten Althaus
ND: Ist das Buch eine Althausbiografie?
Wogawa: Nein, es ist ein kritisches Althausporträt über seinen politischen Werdegang. Persönliches beschränkt sich auf das, was direkt mit seinem politischen Agieren zusammenhängt.
Warum haben Sie dieses Buch geschrieben?
Ich beschäftige mich seit über zehn Jahren mit der Thüringer Landespolitik und damit natürlich auch mit Dieter Althaus. Dabei ist eine umfangreiche Materialsammlung entstanden. Letztlich gab sein Skiunfall, bei dem durch sein fahrlässiges Verhalten eine Frau getötet wurde, den entscheidenden Anstoß.
Warum?
Es ist sein Umgang mit dem Unfall, der ja normalerweise die Karriere eines Politikers beendet hätte. Um so verblüffender ist es für mich, dass er danach erneut als Spitzenkandidat seiner Partei zur Landtagswahl aufgestellt worden ist. Er betont immer, dass Werte vorgelebt werden müssen, und ist in dieser Frage in geradezu biblischem Ausmaß gescheitert. Der Unfall hat die zwei Seiten von ihm deutlich gemacht. Er behauptete zwar, dadurch ein neuer, nachdenklicherer Mensch geworden zu sein, betreibt aber weiter seine auf sich selbst bezogene trotzige Politik.
Wird das im Buch belegt?
Ja. Das kann man im Buch nachlesen. Nach der Niederlage der CDU bei der Bundestagswahl 2005 hat sich der Politikstil von Althaus deutlich verändert.
Wie sah das aus?
Er hat Dinge, die bei seinem Vorgänger Bernhard Vogel völlig normal waren, nicht mehr für nötig gehalten. Zum Beispiel große politische Konzepte mit deutlichen Auswirkungen auf das Land zumindest mit Betroffenen aus der eigenen Partei zu beraten. Er gilt seither als beratungsresistent. Es ist auch von Politautismus die Rede.
Der DDR wirft Althaus vor, da sei über die Köpfe hinweg regiert worden. Regiert er ähnlich?
Es ist genau das. Aber zu dieser Selbstreflexion ist er nicht fähig. Althaus war in der DDR kein unbeschriebenes Blatt, weist aber alle Vorwürfe staatsnahen Handelns zurück.
Findet sich Erhellendes im Buch?
Die damalige Kultusministerin Christine Lieberknecht hatte im Landtag zum Beispiel betont, stellvertretende Direktoren für außerunterrichtliche Tätigkeit passten nicht in die neue Schule. Althaus war einer dieser Direktoren und hatte ein großes Maß an gesellschaftlichen Funktionen.
Als Lehrer wäre er entlassen worden?
Mit großer Wahrscheinlichkeit. Die Diskussion über seine Vergangenheit hat ihn immer wieder eingeholt. Im Buch ist das alles erstmals in kompakter Form als Gesamtschau dargestellt. Es werden dazu eine Reihe von Dokumenten als Faksimiles abgedruckt. Vor dem letzten Pädagogischen Kongress der DDR, am dem er teilgenommen hat, gehörte er auch zu einem handverlesenen Kreis von CDU-Pädagogen, die sich mit der damaligen Volksbildungsministerin Margot Honecker getroffen hatten. Dazu wurde sicher nicht jeder eingeladen.
Es gab wiederholt Streit um eine Auszeichnung kurz vor dem Ende der DDR.
Es geht um die »Medaille für hervorragende Leistungen in der kommunistischen Erziehung in der Pionierorganisation Ernst Thälmann« in Gold. Er behauptet, sie nicht angenommen zu haben, räumte aber ein, eine damit verbundene Prämie von 500 DDR-Mark angenommen zu haben. Später fanden sich Zeugen, dass er sie erhalten hat. Er bestreitet das weiter, hat aber die Zeugen nicht juristisch belangt.
Im Buch findet sich sein Satz, die soziale Marktwirtschaft sei in der Vergangenheit oft falsch verstanden worden. Er rede lieber von der freien Marktwirtschaft. Typisch für ihn?
Ja, er ist ganz klar ein aggressiver Neoliberaler.
Belegt das Buch den Vorwurf, Althaus fische am rechten Rand nach Wählern?
Ja, unter anderem damit, dass er einen rechtskonservativen Politiker wie Peter Krause zum Kultusminister machen wollte. Das hatte bundesweit für Empörung gesorgt und musste wegen des erheblichen Widerstandes aufgegeben werden. Krause hatte in den 90er Jahren für die Junge Freiheit geschrieben.
Althaus wird auch mit dem Kreationismus in Verbindung gebracht. Was ist das?
Diese Strömung lehnt die wissenschaftliche Evolutionstheorie ab und vertritt den biblischen Schöpfungsmythos. Mein Buch belegt, dass er sich diese Strömung als Teil des Biologieunterricht vorstellen könnte.
»Vom Sonnenkind zum Sorgenkind«, Greifenverlag zu Rudolstadt & Berlin, 160 S., 12,90 Euro.
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