Sieger oder Verlierer Berlin?

Gabriele Hiller (LINKE) mit einer Gastgeber-Bilanz der Leichtathletik-WM

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: War Berlin ein Sieger oder ein Verlierer der WM?
Hiller: Berlin war Sieger. Ein guter Gastgeber vor allem für die Sportler. Geboten wurden ein Top-Stadion, eine Riesenstimmung. Auch alle Veranstaltungen, die außerhalb des Stadions stattgefunden haben, sind von vielen Besuchern mit großer Begeisterung angenommen worden. Berlin ist auch Sieger, weil es seine eigenen Sportler präsentieren konnte.

Alles stimmte aber nun auch nicht. Einige Kritikpunkte wird man künftig berücksichtigen müssen.

Was wären das für Punkte?
Erstens der zu geringe Einfluss auf einen vollen Erfolg dieser WM zum Beispiel beim Kartenverkauf. Zweitens die unzureichende längerfristige Werbung in der Stadt und deren Umfeld. Möglicherweise wird die Stadt Berlin die Folgen zu tragen haben. Drittens die ungenügende Einbeziehung von Erfahrungen und Wissen aus der Stadt im Umgang mit Leichtathletikveranstaltungen.

Das heißt, Tickets, die nicht abgesetzt wurden, muss nun der Berliner Steuerzahler bezahlen?
Ja, genau. Das wird allerdings erst die Gesamtabrechnung zeigen.

Der Senat hat bereits mehr als 20 Millionen Euro eingesetzt. Waren die gut investiert?
Grundsätzlich ja. Ich hoffe nicht, dass es noch Nachforderungen gibt.

Es ist ja im Vorfeld der Berliner gefürchtet worden als Mensch mit dem goldenen Herzen, aber auch der größten Schnauze.
Der Berliner ist sich wohl treu geblieben. Er hat gesagt, wenn ihr mich nicht wollt, na denn macht euer Fest doch alleene. Die Möglichkeit, selbst ins Stadion zu gehen und selbst einmal die Atmosphäre aufzunehmen, die haben sich viele versagt. Das war ihnen vielleicht zu teuer, vielleicht wurden sie auch zu wenig umworben.

Die Tickets waren ja aber nicht alle die Teuersten.
Angeblich waren sogar die teuren Karten zuerst verkauft. Da hätten also Leute dann auch das Geld. Trotzdem hat sich gezeigt, dass für viele Menschen eben auch 20 Euro noch zu teuer sind. Gerade junge Leute – Schüler, Jugendliche, Nachwuchssportler – waren viel zu wenige im Stadion.

Also olympisch wäre das ja dann nicht?
Nein, denn dabei sein ist alles. Das wäre möglich gewesen. Aber für eine Familie mit ein, zwei Kindern 30 Euro pro Person auszugeben ist schon ganz schön heftig. Manche vergessen die Einkommenssituation des Durchschnitts-Berliners. Süddeutsche Verhältnisse kann man nicht für Berlin als Maßstab ansetzen.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit brachte erneut Olympia in Berlin ins Spiel. War die WM ein Votum dafür?
Aus meiner Sicht gegen Olympia. Eine so verschuldete Stadt muss sich überlegen, ob sie Spiele ausrichtet, auf die sie wenig Einfluss hat ... Wenn man nicht einen Großteil der Bevölkerung mitnehmen kann, sollte man sie lassen. Es dürfen nicht Spiele und Spektakel für die oberen Zehntausend werden.

Sie wollen nicht, dass Berlin nur der Austragungsort ist und das IOC macht die Regeln?
Richtig. Das war ja auch bei dieser Weltmeisterschaft zumeist so. Bestimmte Bedingungen waren nicht zu verändern. Und wenn nur noch der Kommerz das Sagen hat, sollte man sich auf andere sportliche Aufgaben konzentrieren.

Fragen: Klaus J. Herrmann

Die promovierte Studienrätin ist gelernte Sportlehrerin und sportpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

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