Neuaufbau und Steineschmeißer
Leichtathletik: DLV-Sportdirektor Jürgen Mallow nach dem WM-Erfolg von Berlin
Jürgen Mallow, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, ist ein Mann von sprödem Naturell, doch einer, der mit seinen Bemerkungen auch mal aneckt. Der knapp 65-Jährige war nach den Olympischen Spielen 2004 vom DLV als Leitender Bundestrainer verpflichtet worden. Nun geht er nach fünf Jahren am 30. September in den Ruhestand.
Mallow genoss den weit über den Erwartungen liegenden WM-Erfolg der deutschen Leichtathleten in Berlin, die mit neun Medaillen deutlich über dem Soll von sechsmal Edelmetall lagen. Der im April 2008 eingeleitete Neuaufbau der Nationalmannschaft habe bei den WM erste Erfolge gezeitigt, so Mallow. »Wir haben nicht nur die bewährten starken deutschen Disziplinen gefördert, sondern auch mehr finanzielle Mittel für die Staffeln, die Sprungwettbewerbe und das Gehen eingesetzt. Deshalb musste anderswo gekürzt werden. Dieses Konzept ist nicht überall aufgegangen, aber es lohnt sich, alle 47 Disziplinen zu fördern, auch wenn wir nicht in allen Medaillen gewinnen. Die Perspektiven für die Olympischen Spiele 2012 in London sind verheißungsvoll.« Auf dem Weg dorthin liegen die EM 2010 in Barcelona und die WM 2011 in Daegu (Südkorea).
Auch in der Stunde des Erfolges war Mallow angriffslustig. Für ihn ist die rückläufige finanzielle Förderung der Leichtathletik durch Staat und Wirtschaft mehr als ein Ärgernis: »Alle lassen uns im Regen stehen.« Der DLV habe sich durch schlechte Leistungen bei den Olympischen Spielen 2004 und 2008 bei der Förderung nach unten katapultiert. »Doch wir sollen mit immer weniger Mitteln immer mehr Erfolge gegen immer stärkere Konkurrenz erreichen. Das ist ein Paradoxon«, beklagte er.
Mallow zitierte schließlich ein Fax vom Bundesinnenministerium vom vergangenen Freitag, mitten in den WM-Tagen, das für ihn »ein typischer Fall von Bürokratisierung« ist. In dem Fax wird der DLV aufgefordert, bis zum heutigen Dienstag die Ergebnisse und Fakten für vier Olympiastützpunkte der Jahre 2005 bis 2009 zusammenzustellen, damit eine Prüfung stattfinden kann. »Das sind Steineschmeißer«, redete sich Mallow von der Seele, »das sind Leute mit großer Distanz zum Sport.« Er sei froh, dass er das bald hinter sich habe.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.