Muster ohne Wert

Für Matschies Plan gibt es kein brauchbares Vorbild

Im Streit um den Regierungsanspruch des Thüringer SPD-Chefs Christoph Matschie wird oft erklärt, so etwas habe es in Deutschland noch nie gegeben. Das ist nicht richtig – in zwei Bundesländern regierten in den 50er Jahren Politiker, die nicht die stärkste Partei der Koalition vertraten. Die konkreten Umstände sind allerdings in beiden Fällen nicht als Muster für Matschie geeignet.

1952 wurde in Baden-Württemberg Reinhold Maier in einer Koalition mit CDU und SPD bisher einziger FDP-Ministerpräsident. 1955 wurde Heinrich Peter Hellwege von der rechtskonservativen Deutschen Partei Regierungschef in Niedersachsen. Beide vertraten die jeweils drittstärkste Partei in der Koalition, galten aber als ausgesprochen populäre Politiker – was man von Matschie wohl nur begrenzt behaupten kann. Maier hatte zudem den Bonus, zuvor von den US-Alliierten als Regierungschef von Württemberg-Baden eingesetzt worden zu sein. Für Hellwege hatte sich Konrad Adenauer stark gemacht – die Deutsche Partei hatte dem Kanzler 1949 die Mehrheit gesichert. Auch über solche einflussreichen Schutzmächte verfügt Matschie nicht.

International machte das so genannte israelische Modell von sich reden: Von 1984 bis 1988 teilten sich Shimon Peres von der Arbeitspartei und der Likud-Politiker Yitzhak Shamir in einer Koalition zweier fast gleich großer Fraktionen den Premierposten; sie wechselten nach zwei Jahren. Die Sache fand nie Nachahmer und dürfte wohl auch auf Thüringer Verhältnisse nicht anwendbar sein.

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