Frankreichs Sozialisten auf Kandidatensuche

Parteichefin: Basis soll Präsidentschaftsbewerber nominieren / Sommeruniversität beendet

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn man eine Bewegung nicht aufhalten kann, sollte man sich an ihre Spitze stellen, lautet eine alte Politikerweisheit. An die hat sich jetzt wohl die Parteivorsitzende der Sozialisten (PS), Martine Aubry, erinnert – und die Forderungen ihrer Kritiker übernommen.

Lange wollte Aubry nichts von der Forderung einiger »Dissidenten« wissen, schon jetzt den Präsidentschaftskandidaten für 2012 durch die Mitglieder und Sympathisanten der PS zu nominieren. Doch als der Druck immer stärker wurde und innerhalb weniger Tage mehrere tausend Menschen eine entsprechende Petition im Internet signierten, schwenkte sie kurzentschlossen um und befürwortete die Idee in einem Beitrag für die Zeitung »Le Monde«. Der erschien noch rechtzeitig vor der Sommeruniversität der Sozialisten, die am Wochenende in La Rochelle stattfand.

Den Erfolg der Veranstaltung hat die Parteivorsitzende durch ihren Sinneswandel möglicherweise gerettet, denn damit war einer der explosivsten Diskussionspunkte entschärft. Die Nominierung durch die Basis wurde gleich ins Konzept für eine »Erneuerung« der Partei integriert. Ein weiterer Punkt dieser Reform, zu dem schon weitgehend Konsens festzustellen war, ist die Ablehnung einer Ämterhäufung.

Da auf dem ungewöhnlich friedlichen Treffen diesmal kaum über persönliche Ambitionen verschiedener Parteigrößen diskutiert wurde, konnte man sich somit mehr mit Programminhalten für die Regionalwahlen 2010 beschäftigen. So wollen die Sozialisten dem von der Rechtsregierung verbreiteten Eindruck entgegentreten, dass die Krise praktisch schon vorbei sei und man wieder zur Tagesordnung übergehen könne. Als Gegengewicht zu den Steuergeschenken für Besserverdienende fordert die PS eine unverzügliche »Mehrwertsteuererstattung« für die einkommensschwächsten Haushalte in Höhe von 200 Euro und die Zahlung von Kindergeld über das 18.Lebensjahr hinaus, bis der Jugendliche eine feste Arbeit hat. Bei Banken, die Kapitalhilfe aus Steuermitteln erhalten haben, müsse der Staat auf eigene Vertreter im Aufsichtsrat bestehen. Außerdem seien die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass Belegschaftsvertreter Sitz und Stimme in den Verwaltungsräten von Großunternehmen der Privatwirtschaft haben, wie dies bereits bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen der Fall ist. Unternehmen, die die Krise zum Vorwand nehmen wollen, um Teile der Produktion ins Billiglohnausland zu verlagern, müssten unverzüglich unter gerichtliche Vormundschaft gestellt werden. Die von der Rechtsregierung geplante CO2-Steuer wird von den Sozialisten abgelehnt.

Für die bevorstehenden Regionalwahlen, die für die Sozialisten sehr wichtig sind – sie stellen heute in 20 von 22 Regionen den Ratspräsidenten und wollen diese Positionen verteidigen –, werden am 1. Oktober die Spitzenkandidaten benannt. Am selben Tag soll nun auch eine Befragung der Parteibasis zum Prinzip der Nominierung eines Gegenkandidaten zum amtierenden Staatschef Nicolas Sarkozy durch die Mitglieder und Sympathisanten der PS stattfinden. Noch breiter wird man den Kreis kaum ziehen können, denn von der Kommunistischen Partei (PCF) und der Partei der Linken (PG) wird die Idee klar abgelehnt. Sie sind und bleiben zwar potenzielle Partner der Sozialisten – anders als die linksradikale Neue Antikapitalistische Partei (NPA), die jeden Kontakt zur PS ablehnt –, aber sie bestehen darauf, beim ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen mit einem eigenen Kandidaten anzutreten. Das ist verständlich, denn traditionell ist dies in Frankreich eine der ganz wenigen Gelegenheiten, bei der sich auch kleine Parteien mit einem eigenen Programm präsentieren, vom Medienecho profitieren und anhand der Wählerstimmen ihre Position in der politischen Landschaft feststellen können. Mit den dabei erzielten Wählerstimmen im Rücken wollen PCF und PG dann in die Gespräche mit der PS über die Sammlung aller Kräfte hinter den bestplatzierten Kandidaten der Linken gehen.

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