Neue Hinweise auf erhöhtes Leukämierisiko

Erstmals untersuchte eine Studie die nähere Umgebung von Atomkraftwerken in fünf Ländern

  • Susanne Götze
  • Lesedauer: 3 Min.
Für Säuglinge und Kleinkinder, die in der Nähe von Atomkraftwerken leben, ist das Leukämierisiko besonders hoch. Das ergab eine erste Studie, die sich auf Daten aus mehreren Ländern stützt. Trotzdem fehlen immer noch schlagkräftige Beweise, will man den Zusammenhang von Atommeilern und Blutkrebserkrankungen sicher belegen.

Die Ergebnisse der Studie zum Leukämierisiko in der Nähe von Atomkraftwerken sind erschreckend: Bei Säuglingen und Kleinkindern, die in der Umgebung eines Atommeilers aufwachsen, ist die Wahrscheinlichkeit, an Blutkrebs zu erkranken, an die 20 Prozent höher als bei ihren Altersgenossen. Bei Kindern bis 14 Jahren liegt das Krebsrisiko immer noch 13 Prozent über den »zu erwartenden« Fällen.

Die am Freitag in Berlin veröffentlichte Studie des Epidemiologen Professor Eberhard Greiser schließt an eine 2007 für Deutschland veröffentlichte Untersuchung an. Damals errechneten Wissenschaftler, dass im Fünf-Kilometer-Umkreis von deutschen AKW das Krebsrisiko bei Kindern um 60 bis 75 Prozent höher ist. Allerdings entbrannte seinerzeit ein Streit darüber, ob das erhöhte Risiko wirklich nur für die fünf Kilometer gilt – das verneinte Greiser damals wie heute entschieden. Die Ergebnisse der letzten Studie wurden dementsprechend von Politik und Atomlobby kleingeredet und letztendlich unter den Tisch gekehrt, erklärte der Bremer Wissenschaftler.

Nun hat Greiser im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion nachgerechnet – auch in den USA, in Kanada, Frankreich und Großbritannien. Insgesamt wurden 80 Kernkraftwerke und 172 Meiler einbezogen. Der Wissenschaftler hat für die Studie alle verfügbaren Daten zu Leukämieerkrankungen im AKW-Umkreis von 50 Kilometer zusammengetragen und sie mit den »zu erwartenden« Erkrankungsfällen in der Region verglichen. Dabei sei die Informationspolitik der USA weitaus besser als in Deutschland, erklärte Greiser. Hierzulande versuche man gezielt, kritische Daten zurückzuhalten.

Der Kausalbeweis fehlt weiter

Doch trotz der großen Fleißarbeit des Professors dürfte seine Beweisführung auch dieses Mal wieder auf Zweifel stoßen. Denn es fehlt immer noch der so genannte Kausalbeweis, was seine Gegner schon 2007 anführten: Woher will man wissen, dass diese Leukämiefälle wirklich von der nuklearen Strahlung ausgelöst wurden? Leben die Kinder schon immer dort und wurde ihr Krebs vielleicht von einem ganz anderen Umwelteinfluss verursacht? Irritierend ist zudem, dass die Zahlen nicht eindeutig sind: So liegen die Werte bei vielen AKW sogar unter den zu erwartenden Krebsfällen. »Das passiert vor allem, wenn die Datenerhebung in sehr kleinem Maßstab erfolgt und nicht viele Fälle umfasst«, verteidigt Greiser seine Untersuchung.

Für Renate Künast, Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl, ist das Ergebnis der Studie trotzdem Grund genug, sofortiges Handeln einzufordern: »Atomkraft ist gesundheitsgefährdend, aber Union wie FDP versuchen das einfach zu ignorieren«, sagte sie.

Hohe Ausschläge bei der Strahlenbelastung

Bärbel Höhn, Vizevorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, wies darauf hin, dass die Politik auch die Messung der Grenzwerte rund um die Meiler überdenken müsse. Bis jetzt würden nämlich einfach die Jahresdurchschnittswerte errechnet. »Vergessen wird dabei, dass es sehr oft hohe Ausschläge gibt, die Kinder akut gefährden«, so Höhn. Diese Spitzenbelastungen würden beispielsweise bei der Abschaltung und beim Wiederanfahren des AKW entstehen. Gerade die ältesten und gefährlichsten AKW müssten sofort abgeschaltet werden, so Renate Künast.

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