Schlagabtausch über die Donau hinweg

Krisentreffen zwischen Slowakei und Ungarn

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Regierungen Ungarns und der Slowakei haben die Spannungen zwischen den Nachbarn zu beiden Seiten der Donau zur Chefsache erklärt. Am heutigen Donnerstag treffen sich die Ministerpräsidenten.

Europa wächst zusammen? Nicht überall. Die beiden Nachbarrepubliken Slowakei und Ungarn demonstrieren seit Monaten, dass man auch in einer durch die Osterweiterung vergrößerten Europäischen Union Kleinstaaterei wie im 18. Jahrhundert betreiben kann.

Der ungarische Außenminister Peter Balazs empörte sich dieser Tage nochmals über die am 1. September in Bratislava in Kraft getretene Novelle eines Gesetzes, die den Gebrauch des Slowakischen als Staatssprache vorschreibt und die Nutzung des Ungarischen im Amtsverkehr unter Ordnungsstrafe zwischen 100 und 5000 Euro stellt.

Laut Balazs würde ein in der Slowakei lebender Arzt ungarischer Nationalität, der einen Landsmann behandelt und dies auf Ungarisch begleitet, schon 100 Euro Strafe zahlen müssen – mehr als er an er Behandlung verdiene.

Doch in Bratislava wird diese Äußerung des ungarischen Chefdiplomaten als übertrieben zurückgewiesen. Natürlich denke niemand daran, einen Arzt, der in seinen Behandlungsräumen Ungarisch spricht, in irgendeiner Form zurechtzuweisen.

Als Provokation bezeichnete wiederum der slowakische Präsident Ivan Gasparovic den unlängst beabsichtigten Besuch seines ungarischen Kollegen László Sólyom, der an der Einweihung einer Statue des ersten ungarischen Königs St. Stephan in der slowakischen Donaustadt Komarno teilnehmen wollte. Sólyom war kurzerhand zur »unerwünschten Person« erklärt und an der Einreise gehindert worden. Er selbst meinte freilich, es sei keineswegs um eine Verletzung der Souveränität der Slowakischen Republik gegangen, sondern lediglich um ein Treffen der Kulturnation der Ungarn auf einem von ihnen bewohnten Territorium.

Gerade da treffen sich die Empfindlichkeiten beider Staaten: Das slowakische Territorium wurde erst 1920 auf der Grundlage des Vertrages von Trianon der nach dem ersten Weltkrieg entstandenen Tschechoslowakei zugesprochen. Zuvor war es jahrhundertelang Teil des Königreichs Ungarn. Balasz' Großmutter stammte selbst aus »Oberungarn«, wie die Slowakei damals hieß. Nationalistische Gruppierungen in Ungarn fordern vehement die Aufhebung des Vertrages und stellen Gebietsansprüche an die Slowakei. Zwar bemühte sich Präsident Sólyom, das Problem der Extremisten herunterzuspielen. Doch sein Auftreten in von Ungarn bewohnten Gemeinden in der Slowakei ist Wasser auf die Mühlen der magyarischen Nationalisten.

Was in anderen europäischen Staaten als undenkbar gilt – man stelle sich einen ähnlichen »privaten« Auftritt von Bundespräsident Horst Köhler in Elsaß-Lothringen oder von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy im Saarland vor –, sorgt in den von Ungarn bewohnten Gebieten der Slowakei, Serbiens oder Rumäniens immer wieder für Probleme. Serbien und Rumänien hatten sich Besuche des ungarischen Staatsoberhaupts zu solchen Anlässen verbeten, in slowakischen Städten trat László Sólyom indes – als Privatperson eingereist – bereits mehrfach auf.

Doch wenn die slowakische Regierung nun unter anderem mit der Novellierung des Sprachengesetzes reagiert, dann sei das übertrieben, sagen selbst Sprachwissenschaftler der Universität Bratislava. Und zu Recht fürchtet die ungarische Minderheit in den Gemeinden der Südslowakei Benachteiligungen, wie schon vor Jahren die Gemeindegebietsreform zeigte. Es bleibt abzuwarten, ob die Regierungschefs Robert Fico (Slowakei) und Gordon Bajnai (Ungarn) für Entspannung sorgen können. Bisher wurde nicht einmal offiziell der Ort ihres Treffens bekannt gegeben.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.