Ausgegrenzt
Sayed Kashua beim Literaturfestival
Die zwiespältigen Gefühle eines Palästinensers in Israel – damit beschäftigt sich Sayed Kashua, der am Montagabend beim Internationalen Literaturfestival auftrat. 1975 in Israel geboren, ist er 2003 mit seinem autobiografischen Roman »Tanzende Araber« über Nacht weltberühmt geworden. Ausgrenzung hat er früh erfahren, als er als einziger Muslim in ein jüdischen Eliteinternat besuchte. Später studierte er Philosophie und Soziologie in Jerusalem, wo er noch immer lebt. Er schreibt wöchentliche Kolumnen für die Zeitung Haaretz sowie Drehbücher fürs Fernsehen.
In der Novelle »Da ward es Morgen«, die an diesem Abend in Ausschnitten geboten wurde, kehrt ein Zeitungsjournalist nach Ausbruch der zweiten Intifada aus Tel Aviv in sein palästinensisches Dorf zurück. Das Klima in der Stadt hatte sich durch den antipalästinensischen Rassismus verschlechtert. Doch auch sein Heimatdorf bietet ihm kein Refugium. Er erinnert sich, wie er bei den Großeltern aufwuchs, wie die Großmutter den lahmen Großvater im Sommer auf eine Matratze in den Garten trägt , »sein Maul mit Joghurt vollstopft« und dabei zu ihm sagt. »Stirb schon! Dies alles stinkt mir!« Eines Tages soll die beinahe taube Großmutter mit neuester Medizintechnik in einem israelischen Krankenhaus behandelt werden. Doch sie lehnt ab: »Ich höre doch schon so viel zu viel.« Wenn man in eine schwierige Lage kommt, könne man nicht auf Menschlichkeit bauen, erklärte Kashua nach der Lesung.
Sein Sarkasmus dürfte manchen im Publikum schockiert haben. Er finde die Vertreibung von Palästinensern aus Israel nicht falsch, sagte er, solle doch Israel ein rein hebräischsprachiger Staat werden. »In der arabischen Welt gibt es wenig Grund zur Hoffnung für die Verbesserung der Lage der Palästinenser seitdem es keinen arabischen Führer wie Nasser mehr gibt. Ohne Hoffnung bleibt nur die Möglichkeit, Bücher zu schreiben. Und Geld damit zu verdienen!«
Kashua ist der einzige auf Hebräisch schreibende palästinensisch-muslimische Romancier. Weshalb er in der Sprache der Unterdrückung schreibe, fragte ich ihn nach der Lesung. »Das Hebräische kann nicht beschuldigt werden für die Ungerechtigkeiten des israelischen Staates.»
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