Beraten statt Verkaufen

Prominente Autoren fordern Verbraucherschutz im Finanzsektor

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
365 Tage nach der Lehman-Pleite hat sich der Verbraucherschutz im Bankensektor kaum verbessert. In ihrem Buch »Abkassiert – Die skandalösen Methoden der Finanzbranche«, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, rechnen Gerhart Baum, Julius Reiter und Olaf Methner ab. Sie fordern mehr Rechte und vor allem eine bessere Beratung für Kleinanleger. In Frankfurt am Main demonstrierten unterdessen hunderte Bankenopfer für ihre Entschädigungen.

Lehman-Pleite, Finanzkrise und milliardenschwere Rettungspakete – welche Schlussfolgerungen hat die Finanzbranche daraus gezogen? Der Schutz der Verbraucher vor unseriösen und hochriskanten Finanzprodukten jedenfalls lässt weiter zu wünschen übrig. Zu diesem Ergebnis kamen auch die drei Autoren von »Abkassiert« und leiten daraus weitgehende Forderungen an die Politik ab.

Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), der sich dem Anlegerschutz verschrieben hat, und seine beiden Juristenkollegen Julius Reiter und Olaf Methner bemängelten bei der Buchvorstellung, der Daten- und Verbraucherschutz sei das Stiefkind der Politik. Ihr Buch, welches der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), Gerd Billen, als »gutes Drehbuch für den nächsten Koalitionsvertrag« bezeichnete, zeige dagegen Wege auf, die »Finanzbranche vor sich selbst zu schützen«, so Reiter.

Wie das bewerkstelligt werden soll, ist für Verbraucherschützer Billen klar: Kein Produkt und kein Markt dürfe mehr ohne Aufsicht sein. Damit die Verbraucherorganisationen diese Aufsicht übernehmen könnten, müssten sie aber zunächst ausgebaut werden. Auch Methner warnte davor, den Verbraucherzentralen ausgerechnet in der Krise die Mittel zu kürzen. Es gebe weiter hohen Beratungsbedarf.

Eine bessere Beratung ist eine der Kernforderungen in »Abkassiert«. Banker dürften nicht länger Verkäufer sein. Dafür müsse aber die Bezahlung im Bankensektor verändert werden: Wer für die Menge vermittelter Zertifikate Provision bekomme, habe naturgemäß wenig Interesse an einer umfassenden Aufklärung des Kunden über die Risiken von Geldanlagen, so Methner.

Die von Baum geäußerte Befürchtung, Banken könnten statt besserer Beratung künftig dazu übergehen, den Verbrauchern komplizierte Beipackzettel zu Zertifikaten mitzugeben, scheint sich unterdessen bereits zu bewahrheiten: Am Dienstagmorgen kündigte die größte deutsche Direktbank, ING DiBa, an, Finanzprodukte künftig mit Informationszetteln ähnlich denen bei Apothekenprodukten zu versehen. Das war Ende Juli von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) vorgeschlagen worden, dürfte aber kaum für besseren Durchblick bei den Verbrauchern sorgen.

Auch Stiftung Warentest bemängelte das fehlende Problembewusstsein der Banker. Wie sie vorab aus der neuen Ausgabe der Zeitschrift »Finanztest« berichtete, würden Privatanlegern weiter Zertifikate angeboten, die nur von Profis überblickt werden könnten. So bei der DZ Bank, der Commerz- und der Hypovereinsbank. Einzige Anpassung an die veränderten Gegebenheiten nach der Lehman-Pleite sei eine oberflächliche Imageverbesserung. So würden Zertifikate in Anleihen umbenannt, Inhalte und Risiken blieben dabei gleich.

Die Autoren waren sich einig, dass die neue Bundesregierung den Verbraucherschutz unbedingt auf die politische Tagesordnung setzen müsse. Dazu stellten sie konkrete Forderungen: So dürften hochriskante Zertifikate prinzipiell nicht mehr an Verbraucher verkauft werden. Zudem müssten die Banken – und nicht wie bisher die Anleger – in die Pflicht genommen werden, erbrachte Beratungsleistungen zu dokumentieren und im Streitfall einem Gericht vorzulegen. »Es muss den Banken wirklich weh tun!«, so Baum, sonst ändere sich nichts.

Gerhart Baum, Julius Reiter, Olaf Methner: Abkassiert – Die skandalösen Methoden der Finanzbranche. Rowohlt Verlag, Hamburg 2009, 16,90 Euro.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.