Beraten statt Verkaufen
Prominente Autoren fordern Verbraucherschutz im Finanzsektor
Lehman-Pleite, Finanzkrise und milliardenschwere Rettungspakete – welche Schlussfolgerungen hat die Finanzbranche daraus gezogen? Der Schutz der Verbraucher vor unseriösen und hochriskanten Finanzprodukten jedenfalls lässt weiter zu wünschen übrig. Zu diesem Ergebnis kamen auch die drei Autoren von »Abkassiert« und leiten daraus weitgehende Forderungen an die Politik ab.
Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), der sich dem Anlegerschutz verschrieben hat, und seine beiden Juristenkollegen Julius Reiter und Olaf Methner bemängelten bei der Buchvorstellung, der Daten- und Verbraucherschutz sei das Stiefkind der Politik. Ihr Buch, welches der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), Gerd Billen, als »gutes Drehbuch für den nächsten Koalitionsvertrag« bezeichnete, zeige dagegen Wege auf, die »Finanzbranche vor sich selbst zu schützen«, so Reiter.
Wie das bewerkstelligt werden soll, ist für Verbraucherschützer Billen klar: Kein Produkt und kein Markt dürfe mehr ohne Aufsicht sein. Damit die Verbraucherorganisationen diese Aufsicht übernehmen könnten, müssten sie aber zunächst ausgebaut werden. Auch Methner warnte davor, den Verbraucherzentralen ausgerechnet in der Krise die Mittel zu kürzen. Es gebe weiter hohen Beratungsbedarf.
Eine bessere Beratung ist eine der Kernforderungen in »Abkassiert«. Banker dürften nicht länger Verkäufer sein. Dafür müsse aber die Bezahlung im Bankensektor verändert werden: Wer für die Menge vermittelter Zertifikate Provision bekomme, habe naturgemäß wenig Interesse an einer umfassenden Aufklärung des Kunden über die Risiken von Geldanlagen, so Methner.
Die von Baum geäußerte Befürchtung, Banken könnten statt besserer Beratung künftig dazu übergehen, den Verbrauchern komplizierte Beipackzettel zu Zertifikaten mitzugeben, scheint sich unterdessen bereits zu bewahrheiten: Am Dienstagmorgen kündigte die größte deutsche Direktbank, ING DiBa, an, Finanzprodukte künftig mit Informationszetteln ähnlich denen bei Apothekenprodukten zu versehen. Das war Ende Juli von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) vorgeschlagen worden, dürfte aber kaum für besseren Durchblick bei den Verbrauchern sorgen.
Auch Stiftung Warentest bemängelte das fehlende Problembewusstsein der Banker. Wie sie vorab aus der neuen Ausgabe der Zeitschrift »Finanztest« berichtete, würden Privatanlegern weiter Zertifikate angeboten, die nur von Profis überblickt werden könnten. So bei der DZ Bank, der Commerz- und der Hypovereinsbank. Einzige Anpassung an die veränderten Gegebenheiten nach der Lehman-Pleite sei eine oberflächliche Imageverbesserung. So würden Zertifikate in Anleihen umbenannt, Inhalte und Risiken blieben dabei gleich.
Die Autoren waren sich einig, dass die neue Bundesregierung den Verbraucherschutz unbedingt auf die politische Tagesordnung setzen müsse. Dazu stellten sie konkrete Forderungen: So dürften hochriskante Zertifikate prinzipiell nicht mehr an Verbraucher verkauft werden. Zudem müssten die Banken – und nicht wie bisher die Anleger – in die Pflicht genommen werden, erbrachte Beratungsleistungen zu dokumentieren und im Streitfall einem Gericht vorzulegen. »Es muss den Banken wirklich weh tun!«, so Baum, sonst ändere sich nichts.
Gerhart Baum, Julius Reiter, Olaf Methner: Abkassiert – Die skandalösen Methoden der Finanzbranche. Rowohlt Verlag, Hamburg 2009, 16,90 Euro.
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