Bogota isolierter denn je
Ministertreffen der südamerikanischen Staaten geht ohne gemeinsame Erklärung zu Ende
Bereits sechs Monate nach seiner Gründung ist der Verteidigungsrat der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) einer Zerreißprobe ausgesetzt. Das neunstündige Treffen der je 12 Außen- und Verteidigungsminister endete am Dienstag (Ortszeit) in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito ohne gemeinsame Erklärung.
Es gab keine gemeinsame Erklärung, aber einen fast gemeinsamen Nenner: Kolumbien war beim Ministertreffen des Verteidigungsrates der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) isolierter denn je: »11:1«, fasste der brasilianische Außenminister Celso Amorim die Debatte zusammen.
Stein des Anstoßes war ein im Grundsatz bereits beschlossenes Abkommen zwischen den USA und Kolumbien, wonach US-Militärs künftig Zugang zu sieben Stützpunkten in dem Bürgerkriegsland erhalten sollen. Sämtliche Delegationen drängten die Kolumbianer, den Text des Abkommens bekannt zu machen oder zumindest schriftlich eine »formelle Garantie« dafür abzugeben, dass von dort aus Aggressionen gegen die Nachbarländer unterbleiben würden – vergeblich.
»Auch wir brauchen Antworten und Garantien«, sagte Kolumbiens Verteidigungsminister Gabriel Silva, etwa Einblicke in Verträge über Waffenkäufe Venezuelas oder Brasiliens. »Das Wettrüsten in der Region, Waffenschmuggel, Drogenhandel, Geldwäsche, das sind keine zweitrangigen Themen.«
Für die anderen Regierungen hat die Frage der Militärbasen Vorrang, an der sich die UNASUR-Präsidenten im August schon zweimal die Zähne ausgebissen hatten. Kolumbien müsse den Vertrag öffentlich machen, forderte Celso Amorim erneut, »das ist der Ausgangspunkt für die Arbeit, die wir in der Region entwickeln wollen«. Die ausländische Militärpräsenz dürfe zudem nicht mit Waffenkäufen gleichgesetzt werden.
»Wir haben ein sehr ernstes Problem«, meinte der Außenminister nach dem Treffen: »Kolumbien merkt nicht, welches Unbehagen es in den anderen Ländern auslöst, und versucht auch nicht, das zu lösen.« Eine Äußerung seines kolumbianischen Kollegen Jaime Bermúdez scheint dies zu belegen: »Unsere einzige Obsession ist es, die innere Ordnung aufrechtzuerhalten«, sagte er. Präsident Álvaro Uribes oberstes Ziel ist es immer noch, nach 45 Jahren die FARC-Guerilla militärisch zu besiegen – auch um den Preis, die gute Nachbarschaft zu Venezuela und Ecuador weiter zu strapazieren und das Projekt der südamerikanischen Integration zu torpedieren.
Die Gastgeber trösteten sich damit, dass alles noch schlimmer hätte kommen können. »Kolumbien hat sich nicht vom Tisch erhoben«, sagte Ecuadors Verteidigungsminister Javier Ponce. Außenminister Fander Falconí versicherte, man arbeite an einer Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Bogotá. Als weiteres Plus hob er hervor: »Wir müssen nicht vor internationale Instanzen ziehen, um Probleme zu lösen.«
Doch Gespräche mit der USA-Regierung sind dringender denn je. Gelegenheit dazu gibt es nächste Woche am Rande der UN-Vollversammlung in New York: Außenministerin Hillary Clinton habe in einem Brief an ihre südamerikanischen Kollegen ihre Bereitschaft mitgeteilt, über das umstrittene Abkommen zu reden, berichtete der Chilene Mariano Fernández.
In Washington schaltete sich Clinton in die Debatte ein: »Besorgt« sei man über Venezuelas Waffenkäufe, die jene »aller anderen Länder« in den Schatten stellten. Von Caracas erwarte sie Transparenz und die Garantie, dass die Waffen nicht an Aufständische oder Drogenhändler »umgeleitet« würden: »Wir hoffen, bald eine Änderung des Verhaltens und der Haltung seitens der venezolanischen Regierung zu sehen.«
Am Sonntag hatte Präsident Hugo Chávez verkündet, er habe aus Moskau ein Darlehen über rund 1,5 Milliarden Euro zur Finanzierung von 92 russischen Panzern des Typs T-72, Raketenabwehrsystemen und Raketenwerfern mitgebracht. Der Kauf der russischen Waffen, mit denen man die Ölfelder schützen wolle, sei eine Reaktion auf das kolumbianische Abkommen mit den USA.
Brasiliens Außenminister Celso Amorim nimmt besonders an einer Passage des Vertragsentwurfs Anstoß, wonach Washington und Bogotá »Demokratie und Freiheit« fördern wollen. Damit, so die Lesart Brasílias, könnten künftig Interventionen in Nachbarländern gerechtfertigt werden.
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