Bajazzo trifft Turandot

Ungewöhnliches Opern-Doppel am Nationaltheater Weimar:

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 2 Min.
»Turandot«
»Turandot«

Auf die Idee, Ruggiero Leoncavallos »Bajazzo« ausgerechnet bei der unnahbaren Prinzessin »Turandot« unterhaken zu lassen, ist noch niemand gekommen. Aber hier geht es nicht um Puccinis letzten, bedeutungsschwangeren China-Opernwummer, sondern um Ferruccio Busonis (1866-1924) kaum gespielten, gerade mal fünf Viertelstunden währenden Zweiakter. Das Werk klingt zum Teil wie ein Satyrspiel auf Puccinis berühmteren Operneisblock. Auch sonst langt Busoni fröhlich in den Vorrat des schon Komponierten und spielt damit auf erstaunlich ironische Weise. Der aus Carlo Gozzis Märchen zum Libretto verarbeitete Plot liefert eine Steilvorlage für die junge Regisseurin Lydia Steier und ihr Team, um am Nationaltheater Weimar die ganze Geschichte als opulente Opernrevue auf die parodierende Spitze zu treiben. Die abgeschlagenen Köpfe, die hier die große Revuetreppe bedecken, grinsen noch. Und der Scharfrichter wetzt sein Beil mit dem Gruseleffekt einer Comicfigur.

Überhaupt würde man sich nicht wundern, wenn die bunte Truppe plötzlich im Monty-Python-Sound weitermachen würde. Bei den Kostümen jedenfalls ist Ursula Kudrna allerhand eingefallen. Es gibt Eunuchen im Spitzenröcken, mit Helm und in Stiefeln, Chips fressende Fettwänste, auf Fahrgestellen durch die Gegend gerollte Spitzen des Staates.

Turandot will keinen Mann an sich heranlassen, hält sich die Bewerber durch ihr perverses »Antwort oder Leben« vom Leibe. Auch bei Kalaf setzt das Bild der sonderbaren Prinzessin den Verstand außer Kraft – zum Glück hat er ihn beim Rätselraten wieder beisammen und antwortet richtig. Am Ende folgt er ihr ins gardinenverhängte Schlafzimmer ganz oben am Ende der Freitreppe, die auf Martina Segnas Bühne zu einem riesigen Damenschuh gehört.

»Turandot« ist eine Entdeckung! Das Ensemble in Hochform. Von Sonja Mühlecks stimmmächtiger Turandot über Thomas Piffkas schmetternden Kalaf bis zu allen Vertretern des bunten Hofstaates und der schmissig aufspielenden Staatskapelle unter Martin Hoff.

Die ist auch im zweiten Teil des Abends, beim ungleich bekannteren »Bajazzo«, das sichere Fundament für einen mit Verve (Pieter Roux als Canio, Jana Havranavoa als Nedda) auf die Bühne gebrachten Opernhit. Das Eifersuchtsdrama verlegte Lydia Steier mit höchst präziser szenischer Perfektion ins Ambiente einer Kaufhauswelt im Vorweihnachtsgeschäft. Das funktioniert, inklusive der professionell durchchoreografierten Kindertruppe, schlüssig wie der erste Teil.

Ein ungewöhnliches Operndoppel, das Publikum war begeistert.

Nächste Vorstellung: 27.9.

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