Freund Friedrich

Wahlkampf: Eine Anmeldung bei Facebook und Nervenprobleme beim Twittern

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Es geht recht vielversprechend los. Kurz nachdem ich mich bei Facebook angemeldet habe, dieser Internetplattform, auf der man tatsächlichen und vermeintlichen Freunden kleine Nachrichten schreiben, oder sein Fotoalbum öffnen kann, kommt die erste »Freundschaftsanfrage«. Von einem gewissen Peter Friedrich. Dass er SPD-Generalsekretär in Baden-Württemberg ist, ist zunächst nicht ersichtlich. Und da er aus meiner Heimatstadt am Bodensee stammt und ungefähr gleichen Alters ist, stimme ich seinem Antrag zu. In den folgenden Wochen habe ich das bereut. Es ist nämlich so bei Facebook, dass nach dem Öffnen der Seite gleich zu sehen ist, was die »Freunde« so treiben. Doch nun ist die Startseite stets voll von »Nachrichten« des Freundes Friedrich. Wie es der Tochter Evis und wie es Nic nach der Hochzeit geht, nach Nachrichten also, die tatsächlich interessieren, muss ich erst mal suchen gehen.

Dass ein Wahlkämpfer die Botschaft sendet, seine Partei mache alles richtig, kann man ihm nicht verdenken. Was mich aber ärgert, ist die Form der Kommunikation. Freund Friedrich »postet« etwas, das er meist aus einer Zeitung kopiert hat, zwei oder drei Digital-Claqeure schreiben Jubelkommentare – das war's. Ein paar Mal stelle ich ihm Fragen. Wie dies oder jenes gemeint sei. Keine Antwort. Wie er dazu komme, mich als »Freund« hinzuzufügen. Keine Antwort. Und ich dachte immer, es gehe um das Interaktive bei den »Sozialen Medien«.

Enttäuscht wende ich mich »Twitter« zu, quasi Facebook ohne Schnickschnack, mit auf Handy-Kurzmitteilungslänge beschränkten Nachrichten, empfangbar auf dem Mobiltelefon. Ich durchsuche Twitter also nach Parteien, »folge« allem und jedem und bestelle mir das Zeug aufs Telefon, man will ja nicht am Bildschirm kleben.

Ein folgenschwerer Fehler: Ich bin nun zwar allzeit im Bilde, welcher Politiker welches Bierfest besucht – riskiere aber Kloppe von meinen wirklichen Freunden, deren SMS mir in dem Wust durchrutschen. Ich drehe die Mobilverseuchung wieder ab und stelle Fragen. Von einem eifrigen FDP-Twitterer will ich wissen, ob er belegen kann, dass weniger Kündigungsschutz mehr Arbeitsplätze bringt. Antwort: Null. Nach drei Wochen Twitter bin ich entnervt – und enttarnt. Ich war so dumm, mich unter Klarnamen anzumelden, aber dennoch mein übliches Online-Pseudonym zum »Twittern« zu verwenden. Jetzt verrät mich Google an jeden Interessierten.

Besser ist es bei youtube, wo jeder Benutzer Filme hochladen kann. Hier kann man sich anschauen, was man sonst lesen müsste oder im Fernsehen verpasst hat. Das ist praktisch. Auch die herkömmlichen Internetseiten der Parteien informieren den, der wirklich etwas wissen will und bereit ist, eine Weile zu suchen. Wahlentscheidend aber, wie jüngst eine Studie des Internet-Branchenverbandes Bitkom ermittelt haben will, ist das alles nicht. Die sächsische CDU, der Internet-Totalignoranz gescholten, hat ihre Wahl souverän gewonnen. Oskar Lafontaine wird nicht Bundeskanzler, obwohl die Internet-Aktionen der LINKEN stets Bestnoten bekommen. Und falls sich Frank-Walter Steinmeier noch in eine große Koalition retten kann, liegt es am TV-Duell und nicht an seinem Facebook-Profil.

Drei Tage noch, dann ist's vorbei. Ich werde durchatmen – und Freund Friedrich von der Facebook-Liste streichen.

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