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Mammon und Mission
Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft will den vorliegenden Gesetzentwurf zur Regulierung von Hedgefonds aufweichen. Über diese Nachricht dürfte neben anderen Spekulanten die Führung der anglikanischen Kirche in Großbritannien hoch erfreut sein. Letztere hatte sich nämlich in einem Protestschreiben an den parlamentarischen Ausschuss für EU-Angelegenheiten des britischen Parlaments beschwert über die Pläne der Brüsseler Kommission zu Restriktionen bei dieser extrem riskanten und krisenfördernden Geldanlageform. »Die Maximierung der Erträge auf unsere Investments gehört zu unserer Mission, der Gesellschaft zu helfen«, so der Rekurs der Klerikalen. Ein unbekümmertes Verständnis von Mission, über das Jesus, der die Geldwechsler mit der Peitsche aus dem Tempel gejagt hatte, wohl reichlich verblüfft wäre.
Derweil setzt die römisch-katholische Kirche, der das Pekuniäre bekanntlich gleichfalls seit jeher frommte, ungeachtet dieses offen bekundeten schnöden Mammonismus auf die Rückkehr der Anglikaner in den Schoß der Una Sancta. Immerhin brodelt es in der seit Heinrich VIII. im 16. Jahrhundert von Rom getrennten Gemeinschaft wegen heftiger Kontroversen über die Bischofsweihe von Frauen und die Zulassung von bekennenden Homosexuellen zum Bischofsamt. Der prominenteste Konvertit der jüngsten Zeit ist Expremier Tony Blair. Jetzt ließ Papst Benedikt XVI. einen spektakulären Erlass verkünden, durch den die Aufnahme abtrünniger Anglikaner in kirchenrechtlich geordneten Bahnen verlaufen kann. Ungeachtet des ansonsten unantastbaren Zölibats sollen sogar verheiratete anglikanische Priester, die übertreten wollen, anerkannt werden.
Die generöse Regelung ist ein Ausdruck für die fieberhaften Bemühungen der christlichen Großkirchen, sich angesichts des Mitgliederrückgangs in Europa neue Segmente auf dem Markt des Glaubens zu erschließen. Zwar tröstete Kardinal Karl Lehmann bei einem Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse sich und seine Kirche mit der Behauptung, trotz zahlreicher Kirchenaustritte in westlichen Ländern sei der christliche Glaube weltweit auf Expansionskurs. Doch der Schwund auf dem Alten Kontinent nimmt gerade in der Krise rapide zu. Allein in Deutschland verließen im vergangenen Jahr 290 056 Bürger die christlichen Großkirchen – 29,5 Prozent mehr als 2007. Und das, obwohl die Kirchenaustritte hierzulande mittlerweile fast flächendeckend mittels unverhältnismäßig hoher Verwaltungsgebühren erschwert werden. Eine Klage gegen eine solche Blockadepraxis wurde dieser Tage vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg als unzulässig zurückgewiesen – ohne weitere Begründung.
Mit Eifer beteiligt an der abendländischen »Mission expansive« ist auch die Evangelische Kirche in Deutschland, die kürzlich auf einer Tagung die zunehmende Bedeutung von Kindergottesdiensten betonte. Schließlich müssen die als unmündige Säuglinge zwangskonfessionierten Sprösslinge gezielt und kontinuierlich für die spätere treue Kirchenmitgliedschaft konditioniert werden.
Doch im ungläubigen Ostdeutschland wird wohl auch diese subtile Strategie schwer greifen. Glücklicherweise hat Brandenburgs scheidender CDU-Innenminister Jörg Schönbohm bald Zeit, sein vor Monaten gegebenes Versprechen einzulösen und das Christentum im entkirchlichten Anschlussgebiet neu zu beleben.
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