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Gera, gut!

Wallenstein-Oper

  • Werner Wolf
  • Lesedauer: 3 Min.

Es bedarf offensichtlich der Jubiläen, um fast vergessene Kunstwerke wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. So beflügelte Friedrich Schillers 250. Geburtstag (10. November) das Theater Altenburg-Gera, die 1937 in Wien uraufgeführte Oper »Wallenstein« des tschechisch-jüdischen Komponisten Jaromir Weinberger in der Fassung von Max Brod zur – deutschen Erstaufführung! Eine Tat, die unbedingte Anerkennung verdient, umso mehr, weil sie alle Kräfte eines sogenannten kleinen Theaters fordert.

Den Komponisten dürften die Möglichkeiten großer, kontrastreicher Szenen mit vielgestaltigen Ensembles und Chören wie die bei aller Ambivalenz in Tschechien zu verzeichnende Wertschätzung Wallensteins zum Griff nach Schillers Trilogie gereizt haben. Sein tschechischer Librettist Milos Kares brachte das Kunststück fertig, die wesentlichsten Vorgänge des umfang- und wortreichen Dramas auf die Länge eines Opernabends zu konzentrieren. Max Brod vermochte für die mit Weinberger geschaffene deutsche Fassung wesentliche Passagen aus Schillers Text zu nutzen.

Aus dem Vorspiel »Wallensteins Lager« formten die Librettisten eine große, das chaotische Treiben nach eineinhalb Jahrzehnten Krieg darstellende Chorszene mit solistischen Einwürfen wichtiger Akteure. Im Mittelpunkt der insgesamt sechs Bilder steht das komplizierte Für und Wider um die Verhandlungen mit den Schweden, von denen sich Wallenstein gegen den Willen des Kaisers einen Friedensschluss erhoffte.

Jaromir Weinberger schuf für diese Vorgänge eine von starken Emotionen erfüllte Musik. Vor allem der farbige Orchesterpart mit reich differenzierter Harmonik beeindruckt nachhaltig. Der in Wallensteins Lager von den verwilderten Söldnern gegrölte Marsch der Pappenheimer erfährt im Verlauf des Stückes fantasievolle, beziehungsreiche Verwandlungen. Umfangreichere lyrische Kontemplartionen – etwa vor Wallensteins Tod – wagte Weinberger allerdings nicht.

Matthias Oldag mobilisiert als Regie führender Intendant alle Kraft des Ensembles, gestaltet mit Solisten und Choristen ein bewegtes, bei aller Turbulenz auf Übersichtlichkeit bedachtes Geschehen. Er führt die Akteure in Übereinstimmung mit der Musik, legt Wert auf genaue Charakterisierung.

Dennoch: So wie Wallenstein nicht recht durchschaut, wer von seinen Gefolgsleuten noch auf seiner Seite und wer auf Seiten des Kaisers steht oder heimlich übergeht, fällt das zu erkennen auch den Theaterbesuchern nicht immer leicht. Die oft schwarzwandige, dunkle Bühne (Thomas Gruber) und die zum großen Teil dunkelfarbigen Kostüme (Mathias Rümmler) erweisen sich nicht als hilfreich. Auch der zu matt eingeblendete, für das Verständnis wichtige (!) Text ist nicht von allen Plätzen aus gut zu lesen.

Als Wallenstein zeichnet sich Teruhiko Komori mit anrührender, krafterfüllter Gestaltung aus. Franziska Rauch als empfindsame Tochter Thekla, Elvira Dreßen als Wallensteins leidgeprüfte Schwester Gräfin Terzky, Nico Wouterse als hinterhältiger Octavio, Vincent Wollsteiner als ungestümer Max Piccolomini sowie zahlreiche weitere Solisten (einige in Doppelrollen) und die Choristen schaffen eine insgesamt stimmige, geschlossene Gestaltung.

Jens Troester führt sie und das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera energisch. In den folgende Aufführungen dürfte wie in den letzten beiden Bildern der Premiere eine (nicht nur mit Rücksicht auf die Sänger) vor allem dynamisch, aber auch farblich differenziertere Gestaltung des Orchesterparts erreicht werden.

Nächste Vorstellung in Gera: 6. 11.

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