Die NPD trifft der Schlag

Mit Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger verliert die Partei einen wichtigen Finanzier

  • Carsten Hübner
  • Lesedauer: 3 Min.
Der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Jürgen Rieger wird sich von seinem Schlaganfall wohl nicht mehr erholen. In Parteikreisen hieß es, der 63-Jährige sei hirntot. Die rechtsextreme Partei verliert damit einen wichtigen Finanzier und Verbindungsmann in die militante Szene. Zuletzt schockierte er in mehreren Orten Deutschlands mit der Ankündigung, dort Immobilien erwerben zu wollen.

Jürgen Rieger gehörte über Jahrzehnte zu den schillerndsten Gestalten des deutschen Neonazismus. Besonders seine Unverfrorenheit und die offen zur Schau gestellte Gewaltbereitschaft verschafften dem im Hamburger Nobelstadtteil Blankenese residierenden Rechtsanwalt mehr als einmal bundesweite Schlagzeilen. So drohte er etwa gegenüber »Report Mainz« im Jahr 2003: »Warten Sie es doch ab, wenn der erste Reporter und der erste Richter umgelegt sind. Dann wissen Sie, es geht los.« Beim rechten Aufmarsch zum 1. Mai 2008 in Hamburg befand er sich zudem inmitten eines Mobs gewalttätiger Neonazis, die aus der Demonstration auszubrechen versuchten und sich dabei Straßenschlachten mit Polizei und Gegendemonstranten lieferten, bei denen mehrere Menschen verletzt wurden.

Trotz mehrerer Strafverfahren und Verurteilungen, unter anderem wegen Körperverletzung und Volksverhetzung, ist Rieger jedoch nie die Zulassung als Anwalt entzogen worden. Vor Gericht vertrat er wiederholt Größen der Szene wie Michael Kühnen und Christian Worch sowie die Holocaustleugner Thies Christophersen, Horst Mahler und Ernst Zündel. Außerdem gehörte er sowohl der 1994 verbotenen Wiking Jugend als auch der ein Jahr später von Bundesinnenminister Zimmermann aufgelösten Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) an. Das FAP-Spektrum gilt als Vorläufer der heutigen Kameradschaftsszene.

Zur NPD stieß Rieger erst relativ spät, machte dann aber schnell Karriere. Bereits kurz nach seinem Eintritt im Jahre 2006 wurde er in den Parteivorstand gewählt. Anfang 2007 übernahm er zudem den Landesvorsitz in Hamburg, um schließlich im Mai 2008 zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt zu werden. Trotz Bedenken in den eigenen Reihen, Rieger könnte dem Etablierungskurs der Partei mit seinem martialischen Gehabe und den radikalen Phrasen Schaden zufügen, unterstützte NPD-Chef Udo Voigt mehrfach seine Kandidaturen. Ausschlaggebendes Motiv dürften die erheblichen finanziellen Mittel gewesen sein, über die der Rechtsanwalt nicht zuletzt als Erbverwalter wohlhabender Alt-Nazis verfügte. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes unterstütze Rieger die chronisch klamme NPD in den vergangenen Jahren mit Darlehen in Höhe von rund 500 000 Euro.

Insgesamt dürfte Rieger in der Vergangenheit mehrere Millionen Euro in Aktionen des neonazistischen Spektrums und dessen Infrastruktur gepumpt haben. Für Furore sorgten vor allem seine mehr als ein Dutzend Ankündigungen, größere Gewerbeimmobilien erwerben und zu Stützpunkten der Szene ausbauen zu wollen. So kaufte er etwa ein Geschäftshaus in der Innenstadt von Hameln oder das Schützenhaus in Pößneck. In den meisten Fällen allerdings lag die Vermutung nahe, es handele sich um ein abgekartetes Spiel zwischen Rieger und den Besitzern, um die jeweilige Gemeinde unter Druck zu setzen, die zumeist schwerverkäuflichen Gebäude selbst und vor allem zu einem deutlich überhöhten Preis zu erstehen. So sammelten vor einigen Jahren Bürger der Stadt Delmenhorst fast eine Millionen Euro, um den Kauf des maroden Hotels am Stadtpark durch den Hamburger zu verhindern. Das gelang dann auch mithilfe der Stadt. Nur einen Verwendungszweck gab es nicht. In diesem Jahr beschloss der Rat schließlich den Abriss. Die rechte Szene frohlockte.

Im Falle des Ablebens Riegers dürfte sich bei Teilen der Szene die Trauer dennoch in Grenzen halten. Der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel soll ihn wegen seines Hangs zur NS-Rassenlehre in einer E-Mail abfällig als »Schädelvermesser« bezeichnet haben, der »nur in seiner Germanenwelt lebt«. Der NPD-Fraktionschef im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, nannte die Wahl Riegers zum Bundes-Vize unumwunden »eine politische Katastrophe«. Der giftete wenig später zurück, »ein solches Maß von Niedertracht, wie ich es von Spitzenpolitikern der NPD erlebt habe, habe ich mir aber nicht in den kühnsten Träumen vorstellen können«. Von Walhalla aus betrachtet dürften das dann aber alles nur Kleinigkeiten sein.

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