- Politik
- Zur Sache
Krieg der Kleingeister
Wie es aussieht, wird der Rechtsanwalt Volkmar Schöneburg nach einigem Hin und Her doch Brandenburger Justizminister. Die LINKE hält an ihm als Kandidat für dieses Amt fest, die SPD will deshalb die Koalition offenbar nicht platzen lassen. Es wäre ein Wunder gewesen, wenn die CDU nicht noch eine Attacke gegen Rot-Rot versucht hätte, und dass der Angriff eher unter die Gürtellinie zielt, erstaunt auch nicht. Die Christdemokraten zogen einen strafrechtswissenschaftlichen Aufsatz Schöneburgs aus dem Jahre 2002 hervor, in dem es um die Unbrauchbarkeit des politischen Kampfbegriffs Unrechtsstaat für die Beschreibung der DDR und um Kritik an den Grenzerprozessen geht. Eine Verharmlosung oder Rechtfertigung von DDR-Unrecht ist der Text deshalb noch lange nicht, was aber die CDU in ihrer Polemik nicht stört.
Man erinnert sich an den Fall Daniela Dahn. Die Schriftstellerin sollte 1998 für die PDS Verfassungsrichterin in Brandenburg werden. CDU und SPD schossen damals quer, weil Dahn in einem ihrer Bücher Positionen des Rechtsstaats verlassen habe. Einer der inkriminierten Sätze: »Mit Blick auf die von mir erlebte poststalinistische DDR und die finanzstalinistische BRD scheint mir: Die Summe der Repressionen ist immer gleich.« So etwas darf man offenbar weder denken noch sagen, wenn man in der Demokratie ein höheres Amt ausüben will. Auch dass Unterstützer wie Günter Gaus, Egon Bahr, Günter Grass und Christa Wolf sich für Dahn aussprachen, brachte ihre Kritiker nicht zum Nachdenken. Im Gegenteil, sie ließen bei der Gelegenheit gleich auch noch den zweiten PDS-Kandidaten, den namhaften Staatsrechtler Martin Kutscha, durchfallen.
Was die Fälle Dahn und Schöneburg verbindet: Wenn kluge Menschen sich wohlbegründet nicht dem herrschenden Geschichtsdiskurs und seinen Stichwortgebern unterwerfen, wenn sie die platte Pauschalverurteilung der DDR nicht mitmachen oder sich kritisch zum Zustand der heutigen Demokratie äußern, werden sie von angepassten Ja-Sagern wie politisch Aussätzige behandelt. Das Heuchlerische der CDU-Angriffe auf Schöneburg wird spätestens dann deutlich, wenn man weiß, dass der Jurist schon vor seiner Ernennung zum Brandenburger Verfassungsrichter 2006 von der CDU-Fraktion und dem damaligen Innenminister Jörg Schönbohm befragt wurde – und die jetzt umstrittene Studie damals bekannt war. Schöneburgs Ansichten zum Thema Unrechtsstaat spielten damals auch eine Rolle. Neu ist das alles also keineswegs. Aber die beabsichtigte Demontage Schöneburgs passt in eine inzwischen gar nicht mehr so kurze Reihe von Versuchen, die LINKE auf der persönlichen Ebene auszubremsen – siehe u.a. die Verhinderung Lothar Biskys als Bundestags-Vizepräsident 2005, siehe die Angriffe in den kürzlichen Wahlkämpfen gegen Bodo Ramelow und Kerstin Kaiser.
Unterdessen hat Ministerpräsident Matthias Platzeck eine absonderliche argumentative Kurve gedreht. Er vergleicht in einem ansonsten durchaus lesenswerten Text für den »Spiegel« die Versöhnung mit den SED-Nachfolgern mit der Integration von Nazis nach dem Krieg. Dabei bezieht er sich auf den SPD-Altvorderen Kurt Schumacher, der sich als ehemaliger KZ-Häftling für Versöhnung mit einstigen Mitgliedern der Waffen-SS ausgesprochen hatte. Über soviel Verständnis und Gutonkeltum werden sich die Nachfolger der SED sicherlich wie verrückt freuen. Jetzt wissen sie immerhin, auf welcher Grundlage Platzeck sie zu resozialisieren gedenkt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.