Basescus Wunschpremier gescheitert
Turbulente Wochen vor der Präsidentenwahl in Rumänien
»Politchaos« sei noch die zurückhaltendste Beschreibung für die Lage in Rumänien, hieß es kürzlich in der Bukarester »Allgemeinen Deutschen Zeitung«. Das Land befindet sich mitten im Präsidentenwahlkampf. Wahltag ist der 22. November. Doch von »normaler« Vorbereitung einer korrekten Abstimmung kann nicht die Rede sein.
Nachdem die Regierungskoalition von Liberaldemokraten (PDL) und Sozialdemokraten (PSD) nach einem knappen Jahr zerbrochen und die Restregierung der PDL durch einen Misstrauensantrag im Parlament gestürzt war, begann der Streit über ein neues Kabinett. Präsident Traian Basescu beauftragte den Finanzfachmann Lucian Croitoru mit der Regierungsbildung, die Parlamentsmehrheit forderte jedoch die Ernennung des Bürgermeisters von Sibiu, Klaus Johannis, zum neuen Premier. Während der Präsident seinen Vorschlag damit begründete, dass Croitoru beim Internationalen Währungsfonds tätig war und in der Lage sei, die Verhandlungen mit IWF und Weltbank günstig zu gestalten, bestanden seine Gegner darauf, dass der neue Premier vor allem ehrliche Präsidentenwahlen gewährleisten müsse, um das Land aus der Krise zu führen.
Croitoru erarbeitete ein Regierungsprogramm und schlug 14 Minister vor, von denen aber nur zwei bei den Anhörungen in den Parlamentsausschüssen bestätigt wurden. Trotzdem stellte er sich am gestrigen Mittwoch der Abstimmung im Parlament – und verlor. Der gestürzte Regierungschef Emil Boc kann laut Gesetz aber nur noch bis zum 14. November geschäftsführend amtieren.
Derweil müsste der Haushalt 2010 dringend verabschiedet werden: Gelingt das nicht, zahlt der IWF die nächste Rate des Rumänien gewährten Kredits nicht aus.
Inzwischen hat Präsident Basescu in seinem Kampf gegen das Parlament noch eine weitere Front eröffnet: Er will gleichzeitig mit den Wahlen am 22. November ein Referendum veranstalten. Gegen den Widerspruch der Volksvertreter verfügte er, dass die Wähler über die Ersetzung des bisherigen Zweikammerparlaments (Senat und Abgeordnetenkammer) durch ein Einkammerparlament und die Reduzierung der Zahl der Volksvertreter auf höchstens 300 abstimmen. Das wären ein Drittel weniger Abgeordnete als bisher. Basescu zufolge soll dies zur »moralischen Gesundung« des politischen Lebens führen und beträchtliche Haushaltsmittel einsparen. Seine Gegner sehen darin nichts als den Versuch der Stärkung einer autoritären Präsidentenherrschaft.
Während Basescu ständig neue Konflikte provoziert, sind die Parteien fleißig dabei, diese Konflikte zu verschärfen, um sie im eigenen Sinne auszubeuten. Für einen sachlichen Präsidentenwahlkampf, in dem die zahlreichen Probleme des Landes debattiert werden, bleibt angesichts dessen keine Zeit.
In diesem »Politchaos« stehen sich nicht etwa Prinzipien, Ideologien oder Regierungsprogramme gegenüber; alles dreht sich vielmehr darum, ob das Mandat Basescus erneuert wird oder nicht. Das Volk sieht staunend zu – und soll wählen!
Nach dem Scheitern Croitorus im Parlament muss Basescu nun nach Beratungen mit den Parteien einen neuen Kandidaten mit der Regierungsbildung beauftragen. Falls auch diese Regierung abgelehnt wird, könnte der Präsident theoretisch das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen – allerdings erst nach der Präsidentenwahl am 22. November.
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