Die Hälfte rechnet mit dem »Weiter so«

Nur 15 Prozent erwarten Neues von Schwarz-Gelb

  • Steffen Twardowski
  • Lesedauer: 2 Min.
Die neue Regierung wolle die Weichen für das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts stellen, hob die Bundeskanzlerin gestern im Parlament hervor. Das klang zunächst so, als strebe die Koalition von CDU, CSU und FDP einen Politikwechsel an. Doch schon in der vergangenen Woche ging die Bevölkerung nur in geringem Maße davon aus, dass sich etwas grundsätzlich ändert, ergab eine Umfrage von TNS Emnid.

Gerade 15 Prozent erwarten, dass sich die Politik der neuen »Tigerentenkoalition« von der Politik der Vorgängerregierung wesentlich unterscheidet, und 30 Prozent meinen gar, eigentlich gehe es weiter wie bisher (siehe Grafik). 32 Prozent machen einige Gegensätze aus, kaum Differenzen können 20 Prozent erkennen. Zugleich stellen die Befragten auch der SPD ein denkwürdiges Zeugnis aus: Wenige Tage vor deren Neuorientierungsparteitag in Dresden wird deutlich, dass es für die Bevölkerung kaum einen Unterschied macht, ob die Union mit den Sozial- oder den Freidemokraten regiert. Gregor Gysis Urteil, die SPD habe sich in den vergangenen Jahren entsozialdemokratisiert, wird so erneut bestätigt.

Vor allem die Anhänger der LINKEN gehen davon aus, dass das neue Team Merkel/Westerwelle kaum etwas an der politischen Großwetterlage ändern wird, während die SPD-Wähler am ehesten mit einem Neustart rechnen. Wie wenig der Mannschaft auf der Regierungsbank zugetraut wird, zeigt der Blick auf einzelne Politikfelder. Jeweils etwa ein Viertel meint, die neue Regierung werde die Probleme bei der Einkommensverteilung und im Rentensystem lösen, etwa 30 Prozent trauen ihr dies auf dem Arbeitsmarkt und beim Steuersystem zu, ein Drittel rechnet mit positiven Ergebnissen in puncto Gesundheitssystem. Eine ernüchternde Prognose, wenn man sich an Versprechen wie »Mehr Brutto vom Netto« erinnert. Gut die Hälfte der Interviewten erwartet, dass die Aufgaben in der Bildung bewältigt werden, doch gerade hier werden wichtige Entscheidungen in den Ländern getroffen.

Durchweg fällt auf, dass bei den Befragten mit dem Haushaltseinkommen auch der Optimismus zunimmt, während er mit zunehmendem Alter sinkt. Beispielsweise glauben nur 14 Prozent der 30- bis 39-jährigen und 21 Prozent der 40- bis 49-jährigen, dass die Aufgaben im Rentensystem voll und ganz bzw. eher gelöst werden. Vor allem hier zeigt sich die wachsende Sorge vor der Zukunft. Generell gibt es zwischen Ost und West sowie zwischen Frauen und Männern nur geringe Unterschiede. Unter den Parteianhängern sind die der LINKEN besonders skeptisch. So bleiben wichtige Forderungen der Linksfraktion, wie gestern von Oskar Lafontaine in der Generaldebatte vorgetragen, weiter aktuell: Eindämmung der Leiharbeit, Bekämpfung des Niedriglohnsektors, Wiederherstellung der sozialen Sicherungssysteme, Überwindung von Hartz IV, Verhinderung von Kinder- und Altersarmut.

Der Autor leitet den Bereich Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der Linksfraktion im Bundestag

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