Universitäten in Aufruhr
Bereits an über 20 Hochschulen Besetzungen / Am Dienstag Großdemonstrationen geplant
Es rumort an der Humboldt-Universität im Herzen Berlins. Einige hundert Studierende sind an diesem Donnerstag in das »Auditorium Maximum« gekommen, um die nächsten Schritte für ihren Protest zu besprechen. In der Nacht hatten 100 Studierende den Saal besetzt – die Universitätsleitung rief die Polizei, zu einer Räumung kam es indes nicht. »Wir wollen wie in Österreich einen Flächenbrand«, ruft ein Student seinen Kommilitonen zu. Zwar sei es gut, dass einige Hundert zu den Versammlungen kämen, doch gelte es, die anderen Tausende ebenfalls zum Protest zu bewegen. Von einem Großprotest ist man derzeit um einiges entfernt, doch in den vergangenen Tagen gab es an immer mehr deutschen Universitäten Besetzungen: Neuerdings auch in Berlin, Hamburg, Göttingen und Bielefeld – in Tübingen wurde am gestrigen Morgen ein besetzter Hörsaal von der Polizei geräumt.
Das Erstaunliche an den sich ausbreitenden Streiks ist vor allem, dass die Bildungsproteste ursprünglich erst für den kommenden Dienstag in 100 Orten geplant waren. »Uns überholen die Ereignisse«, sagt Jörg Rostek, der als Münsteraner Student bei der Gruppe »Bundesweiter Bildungsstreik 2009« mitmacht, die bereits im Juni zehntausende Schüler und Studierende auf die Straßen brachte. Die Forderungen haben sich seitdem nicht geändert: Es werden eine Verbesserung der Lehr-, und Lernbedingungen, freier Zugang an die Unis, kritische Wissenschaft und eine Demokratisierung der Hochschulen angestrebt.
Unterstützung erhielten die Streikenden gestern von den Gewerkschaften. DGB-Chef Michael Sommer appellierte an Bund und Länder, das Ziel, zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Bildung auszugeben, nicht aus dem Blick zu verlieren. CDU-Bundesbildungsministerin Annette Schavan dürfe sich nicht in die »Parallelgesellschaft der Finanzminister« begeben. Diese hatten kürzlich Ausgaben für Lehrer- und Professorenpensionen, Gebäudesanierungen und Kindergeld in die Bildungsetats eingerechnet und erklärt, das 10-Prozent-Ziel sei bereits erreicht.
In ihrer Entgegnung verteidigte Schavan die Bildungspolitik der Bundesregierung. Bis 2013 werde der Bund seine Bildungsausgaben um zwölf Milliarden Euro erhöhen, sagte die Ministerin. Investiert werde natürlich auch in einen Ausbau des Bafögs, daneben sei es aber wichtig, die »Verantwortungselite« zu fördern.
An ihre eigene Verantwortung wollen indes auch die Studierenden Schavan und ihre Länderkollegen erinnern: Anfang Dezember zur Kultusministerkonferenz (KMK) in Bonn soll es Blockaden geben. Aber nicht zu Beginn, sondern erst, wenn sich die Minister versammelt haben – »Nachsitzen« nennen die Studierenden das, bis alle ihre Forderungen erfüllt sind.
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