Plenum in der Silberlaube
Studierende präsentieren Forderungen
»Die Studierenden leiden unter dem Leistungsdruck und der Doppelbelastung, wenn sie neben dem Studium arbeiten müssen«, spricht gerade Katja, Studentin an der Uni Potsdam, einem Radioreporter ins Mikrofon. Mit einer Kommilitonin ist sie am Dienstagmorgen aus Brandenburg nach Berlin gekommen. Studierende der Freien Universität (FU) in Berlin hatten zur Pressekonferenz im Vorfeld der großen Bildungsdemonstration eingeladen – im besetzten Hörsaal 1a in der »Silberlaube«, wie eines der Hauptgebäude der FU ob seiner Farbe genannt wird.
Das Wort »Besetzung« möchte Michael von der FU nicht falsch verstanden wissen. »Das war für uns die letzte Möglichkeit«, sagt er. Studierende hätten kein anderes Druckmittel. Er nennt den Hörsaal einen »Freiraum« zum Treffen und Diskutieren, den sich die Studierenden geschaffen hätten, und davon müsse es mehr geben. Die Wände des Hörsaals 1a hängen wie zum Beweis voll mit großen beschriebenen Papieren. Die Arbeitsgruppen für Öffentlichkeitsarbeit, politische Debatte, Antisexismus, eine AG Bildungsgipfel und die AG Vokü, die Volksküche, stellen sich vor.
Die Punkte gleichen sich im Kern
Die Forderungen, die die VertreterInnen von Berliner Unis und Hochschulen vorstellen, variieren. Im Kern gleichen sich die Punkte. »Wir wehren uns gegen ein Menschenbild in Europa, in dem Menschen in erster Linie als Humanressourcen gesehen werden«, sagt Raphael, der soziale Arbeit an der Katholischen Hochschule studiert. Die Anderen nicken, Applaus im Saal. Nicht nur in Berlin klagen die Studierenden seit Jahren über zu wenig Geld für eine vernünftige Finanzierung von Studienplätzen und Lehre. Auch die Reform des Verschulten und der mangelnden Wahlfreiheit beim 2003 eingeführten Bachelor und Master sowie das generelle Verbot von Studiengebühren tauchen als Forderungen immer wieder auf. Die Einführung von Elementen direkter Demokratie an der Uni fordert Benny von der Technischen Universität.
Offizieller Auftakt der Bildungsproteste sollte erst gestern sein, aber nachdem in Österreich Mitte Oktober Studierende mit Hörsaalbesetzungen anfingen, ließ der Protest auch hierzulande nicht lange auf sich warten. Die im Sommer begonnenen Streiks und Besetzungen wurden in vielen Städten wieder aufgenommen.
Solidarität über die Uni hinaus
Als die IG BAU vor einigen Wochen auch an der TU zum Streik der Gebäudereiniger aufrief, solidarisierten sich viele Studierende und unterstützten den Streik. »Diese Solidarität will ich jetzt zurückgeben. Noch vor kurzem habe ich selber erlebt, wie wichtig das ist«, sagt Elke, Reinigungskraft an der TU. »Wenn an den Unis gekürzt wird, kürzen sie auch die Dienstleistungen«, meint Lars von der IG BAU. Deshalb seien die Gebäudereiniger solidarisch mit den angehenden Akademikern. Das deutsche Bildungssystem sei das selektivste in ganz Europa. »Wir wollen, dass auch Kinder von Reinigungskräften an die Uni können.« Im seit langem um einen neuen Tarifvertrag kämpfenden Studentenwerk der TU hatte ver.di gestern zum Warnstreik aufgerufen.
Am Ende leerte sich der Hörsaal schnell, viele wollten zur um elf Uhr beginnenden Demonstration. Die auf dem Gang noch bis zur letzten Minute gemalten Transparente waren später auf der Straße wieder zu sehen.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!