Deeskalativ in hitziger Atmosphäre

Silvio-Meier-Gedenkdemonstration in Berlin verlief weitgehend friedlich

Die vorher befürchtete gewalttätige Eskalation beim Gedenkzug zu Ehren des von Nazis 1992 ermordeten Hausbesetzers Silvio Meier in Berlin blieb aus. Sowohl Polizei als auch jugendliche Antifaschisten hielten sich zurück.

Das Gedenken an Silvio Meiers Tod ist ungewöhnlich, denn es fehlt das Besinnliche dabei. Einzig am Ausgang des U-Bahnhofs Samariterstraße, wo eine Gedenktafel an den Hausbesetzer erinnert, legen Teilnehmer einer Mahnwache Blumen und Kränze ab, zünden Grablichter an und halten inne. Auf dem Bahnsteig wurde vor 17 Jahren Silvio Meier nach einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe Neonazis kaltblütig erstochen. Silvio Meier starb mit 27 Jahren.

Oben auf der Fahrbahn der Frankfurter Allee versammeln sich 3000 Menschen zur Demo. Fast alle sind schwarz gekleidet, und sie haben eine Wut angestaut, die sie auf einem langen Zug durch Friedrichshain kundtun. »Enough is enough« heißt das Motto des Gedenkens in diesem Jahr – »genug ist genug«. Sie erinnern an die Gefahr, die noch immer von Rechtsextremisten ausgeht. Die Route führt an der Diskothek »Jeton« vorbei, die immer wieder Ausgangspunkt für Übergriffe feiernder Neonazis ist, und stoppt am Bekleidungsgeschäft Tromsø in der Petersburger Straße, wo die bei Rechten beliebte Kleidungsmarke »Thor Steinar« vertrieben wird. Einige Demonstranten erinnern auch an Iwan Chutorskoi, jenen linken Skinhead aus Moskau, der am 16. November dieses Jahres vor seinem Haus erschossen wurde.

Die Silvio-Meier-Demonstration ist kein stiller Trauerzug, sondern sie will aufrütteln. Sprechchöre gegen die Polizei und den Kapitalismus hallen durch die Straßen. Nur wenige Teilnehmer werden den ermordeten Antifaschisten gekannt haben; aber sie alle wollen das, wofür Silvio Meier sich engagierte, erhalten. In einem Fernsehinterview blickte Meier kurz vor seinem Tod pessimistisch in die Zukunft: Die Besetzungen seien nur ein Übergangsstadium, meinte er. »Entweder werden Verträge gemacht oder die Häuser geräumt.«

Dass allerdings auch Verträge kündbar sein können, das erleben gerade die linken Hausprojekte in der Brunnenstraße 183 in Mitte und in der Liebigstraße 14 in Friedrichshain. Beide Häuser stehen kurz vor dem Aus. Die Stimmung war deshalb schon im Vorfeld der Demonstration aufgeheizt. Nachdem ein mutmaßlicher Autobrandstifter am Montag festgenommen wurde, durchsuchte die Polizei zwei Hausprojekte in der Liebigstraße.

Eine Bedrohung durch Rechtsextreme sehen Antifaschisten indes in Treptow. Dort ist die Neonazikneipe »Zum Henker« in ihren Fokus geraten: Am vergangenen Donnerstag kam es zu einer Attacke von Linksradikalen auf das Lokal. Tags darauf zogen hundert Neonazis durch Treptow. Schon im Oktober nannten sie auf einer Demonstration die Namen von zwanzig Antifaschisten.

Chris Lorenz (Name geändert) ist eine der Personen: »Noch ist das alles eine Drohgebärde, und es ist nichts passiert. Aber keiner weiß, ob wir im nächsten Jahr auch in Berlin Moskauer Verhältnisse haben«, sagt er mit Blick auf den Mord an Iwan Chutorskoi.

In Anbetracht dieser hitzigen Atmosphäre begleitet die Polizei die Demonstration zurückhaltend. Auch Elke Steven vom »Komitee für Grundrechte und Demokratie« bescheinigt den Ordnungskräften ein »bürgerfreundliches Auftreten«. Nur vereinzelt haben die 25 Beobachter des Komitees sowie kritischer Juristen der Humboldt- und der Freien Universität rüde Festnahmen gesehen.

Nachdem die Veranstalter den Aufzug vorzeitig in der Grünberger Straße aufgelöst haben, kommt es kurz zu Tumulten. In der Niederbarnimstraße rangeln sich Demonstranten und Einsatzkräfte. Insgesamt nimmt die Polizei 15 Personen fest; zehn Beamte erleiden leichte Verletzungen.

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