Anschläge ohne Ende

Geheimdienst stellte das Profil eines typischen Täters zusammen

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 3 Min.
Die nächtlichen Brandanschläge auf Fahrzeuge in Berlin halten unvermindert an. Fast jeden Morgen finden sich entsprechende Hinweise in den Berichten der Polizei, die wenig Chancen hat, an dem Geschehen etwas zu ändern. Auch wenn gelegentlich, wie eingangs dieser Woche, möglicherweise Kommissar Zufall eingreift. Wie soll man auch 1,42 Millionen Autos überwachen, abgestellt auf 5361 km Straßenland?

Der Verfassungsschutz ist sich sicher, dass man es bei den Tätern zuvörderst mit Teilen der linksradikalen Szene zu tun hat, mit einer besonderen Aktionsform, wie er in seiner Studie »Linke Gewalt in Berlin« feststellt (ND vom 12. Nov.). Motto der Brandstifter: Zünde man ein Auto an, sei das kriminell, zünde man 100 Autos an, wachse das zu einer politischen Botschaft.

Und die richtet sich etwa gegen Luxussanierung, die dazu führt, dass Leute, die dann die Miete nicht mehr bezahlen können, aus ihren Kiezen vertrieben werden, gegen das Kapital und das System an sich. Im Übrigen müssen nahezu sämtliche von Linksradikalen bevorzugten Themen dafür herhalten, das Brandschatzen zu rechtfertigen. Das Dunkelfeld ist groß. Bekennerschreiben sind selten.

So hat der Geheimdienst aus dem gesammelten Material von 835 Tatbeständen und 1360 Verdächtigen zwischen 2003 und 2008, die zu 40 Prozent nicht einmal bekannt sind, wohl aber Spuren hinterlassen haben, ein Täterprofil zusammengebastelt. Einbezogen sind handfeste Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen und ihren Cliquen sowie Zusammenstöße mit der Polizei bei Demos.

Demnach handelt es sich beim typischen Verdächtigen um einen 22-Jährigen männlichen Geschlechts (81 Prozent – über 30 Jahre sei man durch Beruf und Familie integriert und dadurch weniger gewaltbereit), ist zu 24 Prozent Schüler oder Student (die Arbeitslosigkeit liegt mit 43 Prozent weit über dem Berliner Durchschnitt). Die Täter handeln in Gruppen oder aus Gruppen heraus. Alkohol spielt kaum eine Rolle. Gewalttätige Demonstranten »werden durch aus ihrer Sicht unangebrachten Polizeieinsatz in ihrer Gewaltbereitschaft gestärkt«, so die Studie.

Abseits von Demos gibt es linke Gewalt fast ausschließlich in Friedrichshain, Kreuzberg und Prenzlauer Berg – und dort zumeist nur in einigen Straßenzügen. Tatorte sind zumeist auch Wohn- und Trefforte. Die Frage, ob es sich besonders bei den Brandstiftern eher um Spaßrandalierer, politisch überzeugte Extremisten oder unreife Wirrköpfe handelt, konnte nicht beantwortet werden. Wohl aber wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei einem erheblichen Teil der angezündeten Fahrzeuge um das Werk von sogenannten Trittbrettfahrern handeln könnte.

Oder um ein solches von praktizierenden Pyromanen, die früher Kinderwagen in Hausfluren oder auch Mülltonnen angezündet haben – dieser Deliktbereich hat sich nämlich im Vergleichszeitraum halbiert. Was wiederum die Aussagekraft der Studie, die ohnehin an einer allzu geringen Zahl von verwertbaren und schlüssigen Daten leidet, weiter einschränkt.

  • Jede vierte linke Gewalttat wird im Mai begangen, davon wiederum 39 Prozent in den ersten beiden Tagen des Monats.
  • Gerade für diese beiden Tage wird laut Studie vermutet, dass darunter der Anteil nichtpolitischer Taten stetig zunimmt.
  • Eine Studie der FU Berlin untersucht derzeit diese Annahme.
  • 16 Prozent der Verdächtigen wurden zuvor wegen anderer nicht näher definierter Straftaten rechtskräftig verurteilt.
  • 87 Prozent der Gewalt gehen von Gruppen aus.
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